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KulTOUR: Hand und Fuß

Ausstellung von Künstlern mit Behinderungen in der Neurologischen Rehaklinik Beelitz-Heilstätten

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Beelitz · Heilstätten - Kunst schafft vieles. Sie gibt dem Menschen Ausdruck und Gesicht. Dort aber, wo eine Behinderung im Spiel ist, kann sie sogar existentielle Not in Glück verwandeln. Antje Kratz aus Frankfurt (Main) zum Beispiel weiß von sich zu sagen: „Ja, ich bin wirklich sehr zufrieden und glücklich. Ich fühle mich wohl in meiner Haut.“

Wegen einer Conterganschädigung ohne funktionierende Arme geboren, fand sie über die Theatermalerei zu ihrer Berufung. Heute gehört sie als Vollmitglied zur „Vereinigung der Mund- und Fußmalenden Künstler in aller Welt“ (VDMFK), welche mehr als 700 „Bildende“ auf allen Kontinenten betreut. In Deutschland sind es nur zehn. Dieser Verband sorgt für Selbsthilfe, indem er die „kommerzielle Verwertung“ ihrer Werke über Verlage organisiert.

Der Caputher Thomas Kahlau hat es durch viel Fleiß und Kraft sogar zur finanziellen Unabhängigkeit geschafft. Zusammen mit Reinhard Melzer und Lars Höllerer kann man die mund- oder fußgemalten Arbeiten dieser vier Künstler jetzt in der Neurologischen Rehabilitationsklinik von Beelitz-Heilstätten bewundern. Zur Vernissage ließen sich die dreie freilich durch Thomas Kahlau vertreten, der für eine leider nur kleine Schar von Besuchern das Mundmalen demonstrierte.

Er bietet dem Haus jetzt Workshops in dieser besonderen Technik an. Im „Wandelgang“ des Hauses hängen nun dort, wo man noch heute diese seltsamen Pfeile („Besucherleitsystem“) von vor zwei Jahren findet, überwiegend freundliche Arbeiten, obgleich die Maler, wie zu erfahren war, auch dunkle Stunden überkommen. Natürlich sind die ausgestellten Bilder so etwas wie ein Gesicht: Reinhard Melzer hält sich vorwiegend an die Natur, er malt „Abstrakte Bäume“, eine „Buntnessel“, grüne Dünen oder, recht poetisch, eine „Blaue Landschaft“, aber auch die impressive „Chemiewolke“ über abgestorbenen Bäumen. In letzter Zeit widmet er sich mehr dem Aquarellieren, weil ihn die Ölmalerei zu sehr anstrengt. Sein Credo: „Träume haben wir alle.“.

Lars Höllerer antwortete auf den Satz eines Betrachters, er könnte „so etwas“ mit seiner Hand nicht malen, mit „ich auch nicht!“. Von ihm sind dynamische Akte (einer in Grau) zu sehen, Genre- und sehr schöne Landschaftsbilder von Bodensee oder Toskana. Ein „Sonnenuntergang“ in grellen Farben ist als Relief konzipiert. Heiter das Bildpaar „Blumenmädchen“ und „Blumenbube“ in Comic-Manier, fast keck eine Arbeit, der man ansehen soll, dass sie „In den Farbtopf gefallen“. Fröhlichkeit kann schön sein.

Thomas Kahlau ist nicht nur am umfangreichsten vertreten, er malt behufs einer technischen Vorrichtung an seiner Staffelei auch größere Formate. Einige hat man kürzlich in Caputh gesehen. Er arbeitet schnell und sicher, was nicht immer von Vorteil sein muss. Ein farbsattes „Berlinportrait“ und „Am Caputher Gemünd“ wirken kaum überzeugend, wohl aber „Am Templiner See“ oder die fast pointillistisch gefertigte „Dorfkirche“.

Die Werke der verheirateten Fußmalerin Antje Kratz hängen in der Cafeteria. Anfangs hat sie armlose Puppen gemalt, doch längst emanzipierte sie sich zugunsten freier Themen. „Türkische Gefäße“ und „Ernte Dank“ als prächtigen Stillleben stehen melancholischen Bildern gegenüber, die vom Abschied erzählen. Ihre Liebe gilt Italien. Jede Biographie ein Exempel: Die Maler wollen nicht von ihrer Behinderung her gelesen werden, sondern durch ihre Arbeit. Auch in dieser Ausstellung, die tatsächlich „Hand und Fuß“ hat.

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