Von Henry Klix: Handwerkskammer auf Visite
Kammerpräsident Bernd Ebert besuchte drei Glindower Firmen – und zog ein erfreuliches Resümee
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Werder (Havel) / Potsdam - Heinz Weinhardt hat seine Nische gefunden: Seine Bauklempnerei hat sich auf Metalldächer spezialisiert. Zwischen Giebelchen und Türmchen der Berliner Dachlandschaften fühlt er sich mit seinen vier Leuten zu Hause, musste sich einen neuen Laster zulegen, um die Abgasnorm erfüllen zu können. Ziegel würden von steilen Dachkonstruktionen abfallen, Weinhardts Prefa-Dächer halten. Wenn das mal nicht läuft, kann der 52 Jahre alte Meisterbetrieb auch Heizung, Lüftung, Sanitär. „Das mag ein bisschen breit erscheinen, dafür haben wir immer zu tun“, so Weinhardt. In diesem Winter etwa – Eiszeit auf den Baustellen – konnte er Heizungshavarien abarbeiten. Mit der neuen Energieeinsparverordnung hofft man in Glindow, dass wieder mehr Solaranlagen montiert werden – der Geschäftszweig ist in den vergangenen Jahren etwas eingeschlafen.
Vorstandsmitglieder der Handwerkskammer haben gestern 14 Handwerksbetriebe in Potsdam, Werder und Teltow besucht: Alle zwei Monate hat man mit Vor-Ort-Gesprächen „das Ohr an der Basis“. Bei allen zünftigen Problemen – ob Zahlungsmoral, Kreditmobbing oder Bildungsstand der Lehrbewerber – war Kammerpräsident Bernd Ebert froh über das Ergebnis der Touren: „Handwerker sind Berufsoptimisten“, sagte Ebert in der Auswertungsrunde. Und jetzt sei wirklich wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen.
Ebert besuchte drei Firmen in Glindow: Auch Vulkaniseurmeister Dieter Glüse hat nach 22 Jahren Unternehmenserfahrung seinen Weg gefunden. Sein ursprüngliches Gewerk spielt kaum noch eine Rolle, die Vulkaniseur-Innung ist aufgelöst. Güse verdient mit Reifenhandel und -reparaturen sein Geld. Mit 15 Leuten unterhält er neben dem Hauptstandort Filialen in Nauen und Luckenwalde. Vor sechs Jahren ist in Glindow eine Freie Werkstatt dazugekommen, mit der nun jeder zehnte Euro verdient wird. „Andersrum wechseln ja auch viele Kfz-Werkstätten Reifen“, sagt Glüse. Ärger machen ihm von Laien gegründeten Ein-Mann-Buden, die den Ruf des Gewerbes aufs Spiel setzen.
Glüse ist nicht auf den Wechsel von Winterreifen beschränkt: In der Saison sind Mitarbeiter bei Logistikern, der Holzindustrie, bei Landwirten und auf Baustellen unterwegs, um Stapler-, Laster-, Traktor-, Tieflader- oder Kranreifen zu warten. Deren 3000 Euro teure Pneus gehören zu den letzten, die wegen der wertvollen Karkasse runderneuert werden. Gern würde Glüse wieder ausbilden, aber wenn sich ein Lehniner mit dem Satz bewirbt, er möchte seine „Pflicht erfühlen“, und eine Praktikumsbeurteilung vor Defiziten warnt, „Aufgaben akustisch zu erfassen“, wird er skeptisch. Im Kammervorstand wünscht man sich Lehrer, die mehr übers Handwerk sprechen und Lehrpläne, mit denen Grundwissen vertieft wird.
Und doch geht es mit der Kreishandwerkerschaft aufwärts, der Zahlenspiegel belegt den positiven Trend: Zwar mussten im Januar 24 Betriebe gelöscht werden, dafür meldeten sich 32 neue. „Als wir diese Tour vor zwei Jahren gemacht haben, sind wir durch ein Jammertal gegangen“,sagt Kammerpräsident Ebert. Ein Sorgenkind bleibt allerdings die Fliesenlegerinnung.
Seit sechs Jahren gilt die neue Handwerksordnung, der Fliesenleger gehört zu den 53 Gewerken ohne Meisterzwang. Auf 270 Fliesenlegerbetriebe hat sich die Zahl in Potsdam und Umgebung vervielfacht, bitter für alteingesessene Fachleute. Auch der Glindower Fliesen- und Ofenbau Kissler bekam den Druck zu spüren, von 21 Leuten ist man auf 5 geschrumpft. Auf Lehrausbildung verzichtet der 100 Jahre alte Betrieb inzwischen völlig, sagt Geschäftsführer Elmar Procopius. „Wir wollen uns nicht selbst Konkurrenten ranziehen.“ Und doch ist er dank des Tauwetters optimistisch für die Auftragslage: Auf Dauer, ist sich Procopius sicher, werde sich Qualität durchsetzen.
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