Potsdam-Mittelmark: Handwerksmeister befürchten Qualitätsverlust
Europawahl-Kandidaten diskutierten in Caputh über die Angleichung von Ausbildungsstandards
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Potsdam-Mittelmark - Die mittelmärkischen Handwerksmeister stehen dem Gedanken der Europäischen Union, Arbeitsmarktstandards der Mitgliedsländer der EU anzugleichen, skeptisch gegenüber. Das wurde am Mittwochabend bei einer Diskussion der Handwerkskammer Potsdam mit den Europawahl-Kandidaten im Caputher Gildehaus deutlich.
Die Handwerksmeister befürchten, dass mit der Angleichung der Arbeitsmarktstandards die hohe Qualität der deutschen Ausbildung herabgesetzt werden könnte. „Wir dürfen unser Bildungsniveau nicht weiter zurückstellen, bereits die Abschaffung der Meisterpflicht im Jahr 2004 hatte negative Auswirkungen“, sagt der Kleinmachnower Gebäudereingungsmeister Burghard Ehlert. Seit der Reform müssen Betriebe in vielen Branchen nicht mehr von einem Meister geleitet werden. Ohne die Meister gebe es Ehlert zufolge jedoch keine Gesellen und demzufolge auch keine Lehrlinge.
„Europa ist aber keine Verpflichtung, Standards in Deutschland zu senken“, sagt Europarlamentsmitglied Christian Ehler (CDU). Er setze sich eher dafür ein, hohe deutsche Standards in anderen Ländern durchzusetzen. Besonders in Südeuropa sei eine qualifizierte Ausbildung nötig, um die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu senken. Laut Christiane Gaehtgens, Europa-Kandidatin der FDP, kann man den deutschen Qualitätsanspruch an Handwerker aber nicht automatisch auf andere Länder übertragen. „In Großbritannien herrscht zum Beispiel bei Klempnern eher eine Billig-Mentalität.“ Es gebe jedoch bereits einen europäischen Qualifikationsrahmen für viele Berufe, an dem weitergearbeitet werden müsse. Hier stimmt der Europaabgeordnete Helmut Scholz (Linke) zu: „Wir sollten uns in Europa nicht gegeneinander entwickeln, sondern Regeln für ein besseres Anerkennen von Abschlüssen finden.“ Gerade das Handwerk sei hier wichtig, da es ein sicherer Arbeitgeber ist, an den sich Jugendliche wenden können.
Wie wichtig Handwerksberufe gerade in Brandenburg sind, betonte die SPD-Kandidatin für das Europaparlament, Susanne Melior. „Da wir kaum Industrie im Land haben, ist das Handwerk unsere tragende Wirtschaftssäule.“ Um die lokalen Betriebe weiter zu stärken, sollten bei Ausschreibungen von Handwerksarbeiten nicht immer die billigsten Angebote genommen werden. „Kämmerer können durchaus teurere Angebote lokaler Betriebe bevorzugen, wenn sie dafür eine Begründung schreiben.“ Bei der Diskussion kritisierten Handwerksmeister, dass sie örtliche Ausschreibungen gegen Anbieter aus dem Ausland verlieren, die unter anderem mit geringeren Löhnen ihre Angebote ausstechen.
Maria Heider, Sprecherin der „Arbeitsgemeinschaft Europa“ der Grünen, warnte die Mitglieder der Handwerkskammer davor, nur schlechte Seiten der Europäischen Union zu sehen. „Wir werden durch den demografischen Wandel auch hier bei uns europäische Fachkräfte brauchen, dafür müssen wir unter anderem die Sprachbarriere bei Handwerkern abbauen.“ Europaweit müsse es deshalb zwingend Standard werden, dass bereits im Kindergarten Englisch unterrichtet werde. Enrico Bellin
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