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Als Junge hat er die Caputher Schiffer und seine Oma noch "Upp Platt" reden hören, jetzt will Wilfried Schuh ein Buch über Caputh in der Mundart schreiben.

© Björn Stelley

Caputher Plattdeutsch: Häst de det all jehört?

Einst sprachen die Caputher ihr eigenes Plattdeutsch. Mittlerweile aber spricht den Dialekt kaum noch jemand. Auf den Spuren einer fast verlorenen Mundart.

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Schwielowsee - Er bezeichnet sich als geborener Caputher, geschulter Potsdamer und studierter Berliner. Wilfried Schuh arbeitet als Architekt in Berlin und fühlt sich auch als solcher. An seine Heimat Caputh hat er nur noch romantische Erinnerungen. Er sagt, er sei dem Milieu entwachsen und meint eigentlich, dass er mit dem Caputh von heute nicht mehr so viel anfangen kann. Seine Vorfahren waren Schiffer und Havellotsen, einfache Leute. Die eigene Vergangenheit Schuhs spiegelt sich vor allem dann wider, wenn er in den Dialekt seiner Heimat verfällt. „Watt soll ick nur vertellen?“, fragt Schuh, obwohl er einige Geschichten erzählen könnte.

„Fernsehen gab’s nicht und so saß man am Ofen und hat vor sich hingedöst.“ Gelernt hat er Caputher Plattdeutsch von seiner Großmutter. „Sie war mit einem Schiffer verheiratet, als der starb, heiratete sie wieder einen“, sagt Schuh. Die Oma hatte so einiges zu erzählen und Wilfried Schuh wollte die Geschichten über die Schiffer und ihre Arbeit hören. Da verfiel seine Oma ganz automatisch in das Platt, so Schuh. „Wenn Stromsperre war, dann gab’s eben Geschichten auf Platt.“

Platt als Universalsprache

Die Schiffer, die laut Schuh den ganzen Tag soffen, während die Frauen das heimische Obst auf Berliner Märkten verkauften, konnten sich auf Platt mit anderen Schiffern über die Region hinaus verständigen. „Jede Region hatte zwar ihre eigene Färbung, aber die Wurzel des Plattdeutschen ist angelsächsisch“, sagt Schuh. Platt als Universalsprache.

Caputh war natürlich nicht der Nabel der plattdeutschen Welt. Sprachgeschichtlich spielt der Ortspunkt keine Sonderrolle, sagt Matthias Vollmer vom Institut für Deutsche Philologie an der Universität Greifswald. Caputh sei eingebettet in die Sprachgeschichte des brandenburgischen Raums rund um Berlin, so der Sprachwissenschaftler. Es wurde sozusagen überall platt gesprochen, nur mit einigen, feinen Unterschieden.

Caputh proifitierte wirtschaftlich von Berlin

In Caputh gibt es nur noch wenige Menschen, die Sprachfetzen auf Plattdeutsch sprechen können. Der Grund für das Aussterben des Dialekts hängt unmittelbar mit dem aufstrebenden Berlin zur pulsierenden Weltmetropole im 19. Jahrhundert zusammen. Caputh, ein verschlafenes Örtchen am Schwielowsee, profitierte davon. Zumindest wirtschaftlich. Denn an der Spree wurde gebaut, was das Zeug hielt. Der unbändige Hunger Berlins nach Ziegelsteinen wurde vor allem durch die Ziegelei in Glindow gestillt. Die Caputher nutzten die Gelegenheit, bauten Kähne und schipperten die Steine über die Havel zu den Berliner Abnehmern. Die Wirtschaft florierte, Caputh wuchs. Ebenso wuchs auch der Einfluss Berlins auf die Umgebung.

„Caputh war bei den Berlinern ein beliebtes Ausflugsziel“ sagt Wilfried Schuh. „Wir machten uns immer einen Spaß, wenn wir die Sommergäste auf Platt angesprochen haben und sie nichts verstanden.“ In Berlin wurde bereits Hochdeutsch gesprochen, obwohl es noch einige plattdeutsche Grundlagen, wie wat, ick oder dit gab, so Sprachwissenschaftler Vollmer. Vor allem die Oberschicht drückte sich gewählt aus, während die unteren Sozialschichten nach wie vor niederdeutsche Mundarten sprachen.

Trend zum Hochdeutschen in Berlin

Für den Berliner Architekten Wilfried Schuh ist klar, warum die Caputher ihr Platt irgendwann ablegten. „Als die Caputher Eisenbahnbrücke kam, gingen die Havelschipper um die Jahrhundertwende ein“, so Schuh. „Ein Schiffer hat vom Gemünde bis nach Spandau eine Woche gebraucht, und be- und entladen wurde alles per Hand.“ Die Eisenbahn war schneller. Die Menschen seien dann nach Berlin, um sich dort als Arbeiter zu verdingen. „Gefragt waren vor allem die Handwerks- und Bauberufe“, so Schuh.

Während der Trend zum Hochdeutschen in Berlin nach und nach auch die unteren Schichten erfasste, blieb das Plattdeutsche im Umland noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bestehen, so Vollmer. Noch bis 1880 konnten die regionalen Unterschiede nachvollzogen werden. Für den Deutschen Sprachatlas wurden seinerzeit Daten erhoben, so genannte Wenker-Sätze. „Damals wurden die Volksschulen im gesamten Deutschen Reich angeschrieben und um Übersetzung von 40 konstruierten Sätzen in die vor Ort übliche Mundart gebeten“, sagt Vollmer. Der erste Satz lautete: „Im Winter fliegen die trockenen Blätter durch die Luft herum.“ Während im Berliner Zentrum die Antwort ’In’ Winta fliejen de drockene Blätta durch de Luft.’ lautete, hieß die Antwort aus Caputh ’Im Winter fleen de drögen Blätter dörch de Luft rüm(m)ering.’, so der Sprachwissenschaftler.

In Caputh spricht schon lange niemand mehr Plattdeutsch. „Ich will irgendwann ein Buch in Platt über Caputh rausbringen“, sagt Wilfried Schuh. Alle Geschichten will er darin zu Papier bringen. Vielleicht könne er damit doch noch das Aussterben des Caputher Platts verhindern.

Björn Stelley

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