
© Andreas Klaer
Ehemaliger Pfarrer Ulrich Heilmann aus Caputh: Hauptsache Gott
5000 Predigten, alle frei gehalten. Er war politisch und eckte auch gerne mal an. Capuths ehemaliger Pfarrer Ulrich Heilmann hat jetzt seine Memoiren geschrieben.
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Schwielowsee - Er war brav und gleichzeitig unangepasst. Fromm und gleichzeitig politisch. Und predigen konnte er schon mit eineinhalb Jahren. Der Caputher Pfarrer Ulrich Heilmann ist bekannt für seine freien Reden am Altar. Mehr als 5000 Predigten hielt er, nur im Kopf hatte er die Stichworte gespeichert, die Bibel unterm Arm. Er wüsste, was er sagen wolle, „wie ich es dann sage, fällt mir in dem Moment ein“. Heilmann hat ein bewegtes Leben – jetzt hat er seine Memoiren verfasst. Den ersten Teil, der zweite Teil soll kommendes Jahr folgen. Es ist ein sehr privates Zeugnis über die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts auf rund 200 Seiten.
1924 in West-Berlin geboren, aufgewachsen in einer Familie, in der er sich geborgen fühlte. „Mutti hatte die schwierige Aufgabe, uns Manieren beizubringen“, schreibt der nunmehr 91-jährige Theologe. Und das mit den Liebkosungen war auch keine einfach Sache: Gegen Umarmungen und Küsse habe er sich gewehrt. Als Kind fand er es überflüssig, lästig. „So habe ich das Küssen nicht frühzeitig kennengelernt, was sich später für mich als ungünstig erwiesen hat.“
Heilmanns Humor kommt auch in gedruckter Form durch. Sein Gegenüber, sei es ein Einzelner oder eine ganze Gemeinde, kann er durchweg rhetorisch begeistern – Anekdoten und Humoriges inbegriffen. Aber schreiben, das liege ihm eigentlich nicht. Dass er sich nun doch, meist spätabends oder in der Nacht, an den Computer gesetzt hat für seine Memoiren – „alte Menschen brauchen wenig Schlaf“ –, ist auch Überzeugungsarbeit einiger seiner 14 Enkel. Sie wollten wissen, was ihr Großvater erlebt hat. „Pünktlich zu Weihnachten kriegen sie meine Biografie“, sagt Heilmann mit einem Schmunzeln.
Zurück zu seinem Leben: Seine Kindheit war glücklich, aber nicht unbeschwert. „Schon mit neun Jahren wusste ich, was ein KZ ist und hatte Angst, dass mein Vater dort landen könnte“, erinnert sich der Mann mit den schlohweißen Haaren. Er stammt aus einer christlichen Familie, konservativ und fromm, sagt er. Und hochpolitisch. In Heilmanns Familie sagte man: „Heil doch Hitler.“
Zwei Jahre nachdem Hitler an die Macht kam, war Heilmann gerade auf das Gymnasium gekommen. Als still, verträumt und dadurch geistig etwas gehemmt, beschrieb ihn seine Lehrerin. Er machte seine Aufgaben, war gut erzogen, durchschnittlich in der Schule – angepasst war er nie. Als einziger Schüler seiner Klasse war er nicht in der Hitlerjugend. Als 1938 alle Jugendliche mitmachen mussten, da mogelte er sich um das Uniform-Anziehen herum. Noch heute lacht er darüber, dass die anderen ihn wegschickten, wenn sie antreten sollten – er passte ohne Uniform einfach nicht in das Gesamtbild. „Wieso hat es mir damals keiner nachgemacht?“, fragt er nachdenklich.
Heute mit 91 Jahren weiß er, dass er anecken musste, um dorthin zu kommen, wo er hinwollte. „Die Hauptsache ist, dass die Hauptsache die Hauptsache ist“ – ein Satz, der ihn sein Leben lang begleitete. Mit 16 Jahren war für ihn klar, was die Hauptsache ist: Gott, der Heilige Geist und das Evangelium. „Der Konfirmandenunterricht hat mir imponiert“, sagt Heilmann. Obwohl es viel Arbeit war: Jeden Tag ein Kapitel aus der Bibel lesen und Aufsätze schreiben. Ein Pfarrer hatte ihm damals geraten, einen Brief an Gott zu schreiben und ihn daraufhin zu verbrennen – eine Art Geheimnis zwischen Himmel und Erde. Und tatsächlich, der Brief ist angekommen: „Für mich war diese Situation einmalig, von der ab ich ein anderer Mensch war, wiedergeboren.“ Es gab da wohl eine recht gute Verbindung. So oft habe er Glück gehabt in seinem Leben, so viele „Zufälle“ habe es gegeben.
In den Zweiten Weltkrieg wurde er eingezogen als Flugmelder, der den Feind beobachten musste. Die Bibel hatte er immer bei sich. „Ich fühlte mit dem Gegner mit.“ Als der Krieg vorüber war, wollte er seiner Berufung nachgehen. Nur schnell nach Hause, dabei habe er ein weiteres Wunder erlebt, erinnert sich Heilmann. Auf dem sechstägigen Fußmarsch von der Tschecheslowakei nach Berlin sei er mit Tausenden anderen deutschen Soldaten in eine Auffangstelle der Russen gekommen. Als sie ihn anhielten, habe er auf Deutsch gesagt, dass er dringend weitermüsse, Theologie studieren. Während die anderen festgehalten wurde, konnte er durchschlüpfen und seines Weges gehen. Heilmann hält inne, spitzt den Mund und sagt verschmitzt: „Von wem einem das wohl zufällt?“ Ja, woher kommt eigentlich der Zufall. Und da sind wir wieder, bei der Hauptsache. Gott – alles andere ist für ihn Nebensache. Davon gibt es natürlich viele, lacht er. Aber zurück zum Thema: Gute Theologie mache den Glauben fester und gewisser. „Das Denken beim Eingang in den Glauben an der Garderobe abzugeben, ist falsch“, fügt er noch hinzu.
Von vielen schönen, aber auch belastenden Nebensachen ist in seinem Buch die Rede. Auf den zweiten Teil darf man gespannt sein. Dann geht es um sein Wirken und Arbeiten in der DDR, um den „linken“ Heilmann und natürlich um die Hauptsache – Fortsetzung folgt, im nächsten Jahr. So Gott will.
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