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Verwildert. In dem ehemaligen Erntehelferlager sollten 100 bezahlbare Gästebetten entstehen, die Eröffnung war für 2010 geplant.

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Potsdam-Mittelmark: Havel bedroht Havelcamp

Kritik an zögerlicher Planung der Stadt Werder für Gelände am Zernsee. Für die geplante Herberge fehlt zudem ein Betreiber

Von Enrico Bellin

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Werder (Havel) - Zugewachsene Wege, überwucherte Plätze und unsanierte Gebäude aus tiefsten DDR-Zeiten. Eigentlich sollten auf dem Gelände des ehemaligen Erntehelferlagers in der Werderaner Kolonie Zern bereits seit vier Jahren Touristen und Familien günstige Unterkünfte finden. Ein Zeitplan für den Bau des Havelcamps mit 100 Gästebetten ist jedoch noch immer nicht abzusehen.

Wie Bauamtsleiter Axel Wolf auf der Sitzung des Bauausschusses am Mittwochabend mitteilte, gebe es vom Land noch immer keine neue Verordnung zum Hochwasserschutz für die Region. Daher könne kein Bebauungsplan für das Areal erstellt werden. Bisher gelte eine Verordnung aus DDR-Zeiten, nach der das Camp in einem Gebiet liege, in dem mit Überschwemmungen zu rechnen sei. „Das Hauptgebäude stünde nicht unter Wasser, jedoch angrenzende Teilflächen“, so Wolf.

Zwar gebe es neue Kartierungen zum Hochwasserschutz, die seien jedoch noch nicht endgültig und in keiner Verordnung verankert. „Deshalb wäre ein Bebauungsplan ohnehin nicht umsetzbar“, sagt der Bauamtsleiter. Auch ein Schreiben der Unteren Wasserschutzbehörde vom März 2013, laut dem der Investor das Havelcamp bauen dürfe, sich jedoch selbst um den Hochwasserschutz zu kümmern habe, zweifelt Wolf an. „Auf diesem Schreiben gibt es keinen offiziellen Briefkopf, da ist es fraglich, ob es Bestand hat.“

Für den Kemnitzer Ortsvorsteher Joachim Thiele (SPD) sieht das Ganze stark nach Verzögerungstaktik aus. „Das Schreiben der Behörde ist echt, auf dieser Grundlage könnte ein Bebauungsplan erstellt und endlich mit dem Bau des Havelcamps begonnen werden“, so Thiele gegenüber den PNN. Für ihn sei es nicht verständlich, warum für die Blütentherme am selben Havelufer eine Ausnahmegenehmigung erstellt wurde, die Havelcamp-Pläne bisher aber am Hochwasserschutz scheitern. Bei der Therme seien schließlich neue Flächen versiegelt worden, auf denen nun kein Wasser mehr versickern könne. Beim Havelcamp würden jedoch nur bestehende Gebäude ausgebaut.

Thieles These, dass die Stadt weiterplanen müsste, bestätigt auch Ronald Radtke, Anwalt des Havelcamp-Initiators AS Immobilien GmbH. „Das Planverfahren muss fortgesetzt werden, nach den vorliegenden Unterlagen gibt es keine Hochwasserrisiken.“ Radtke betonte, dass das Grundstück bereits zu DDR-Zeiten aufgeschüttet wurde. Nach den Ergebnissen einer Vermessung im Vorjahr würde lediglich bei einem alle 200 Jahre vorkommenden Hochwasser der Uferbereich durchnässt werden, für die Gebäude und den Weg zur Landstraße bestünde jedoch keine Gefahr.

Neben dem Hochwasserschutz zeichnet sich ein weiteres Hindernis für das Havelcamp ab. Der AS Immobilien GmbH gehört bereits das Grundstück, betrieben werden sollte das Camp jedoch vom Diakonischen Werk Potsdam. Das ist insolvent, die Arbeit wird derzeit durch die evangelische Hoffbauer-Stiftung fortgesetzt. Und die ist am Havelcamp nicht mehr interessiert. „Wir haben keine weiteren Pläne für diese Investition“, so Stiftungssprecherin Heidrun Spengler. Zunächst müssten die Schulden aus dem Insolvenzverfahren abbezahlt werden. Unter diesen Umständen sei eine Projektentwicklung nicht möglich, zudem würde man derzeit keine Kredite dafür bekommen.

250 000 Euro wollten das Diakonische Werk als Projektpartner und Scheffner als Eigentümer des Geländes investieren, um zwei der noch intakten Gebäude herzurichten. Laut Anwalt Ronald Radtke können die Camp-Pläne trotz des Ausscheidens des Diakonischen Werks weiterentwickelt werden. Es handele sich zunächst um eine Angebotsplanung, deshalb könne später auch ein anderer Träger die Anlage betreiben.

Auch die Mitglieder des Werderaner Bauausschusses wollen die Planungen zum Havelcamp jetzt schneller voranbringen. „Wir werden unseren Landtagsabgeordneten bitten, eine Anfrage auf Landesebene zu stellen“, sagt Peter Hinze (Linke), Vorsitzender des Bauausschusses. Dadurch soll Druck auf das Landesumweltamt ausgeübt werden, endlich die neuen Kartierungen zum Hochwasserschutz in Verordnungen umzusetzen und so die von der Stadt Werder geforderte Grundlage für ein neues Bebauungsplanverfahren zu schaffen.

Am Mittwoch sprachen sich Abgeordnete aller Fraktionen einstimmig für die schnelle Entwicklung des früheren Erntelagers aus. „Es handelt sich hier um ein Top-Grundstück, was jetzt einfach nur vor sich hingammelt“, befand Baldur Martin (Freie Bürger).

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