KulTOUR: Hecht oder Karpfen?
Dass Liebe durch den Magen geht, beweist die Krimikomödie „Fisch zu viert“ an der Comédie Soleil
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Werder (Havel) - Manchmal ist das eben so: Abends redet man blumig von Liebe, morgens aber vom Geld. Da macht auch Rudolf keine Ausnahme. Er ist Diener dreier elternloser Schwestern, alle sehr vermögend und auch willig, jede auf ihre Art. Mit diesen Vieren geht das schon seit dreißig Jahren so: im Winter Winterfrische in Berlin, des Sommers Sommerfrische irgendwo bei Neuruppin. Nun wird er alt, hat auch den kurzen, trockenen Husten und erinnert sich, dass jede der Damen ihm für seine verschwiegenen Dienste eine kleine Leibrente versprochen hatte, allerdings erst nach ihrem Tod. Er aber will einfach weg, Richtung Süden, doch nicht ohne das Geld. Dies verweigern sie ihm, sie müssen sogar verhindern, dass er diese peinliche Affäre an die Öffentlichkeit bringt, schließlich schreibt man das Jahr 1838.
Was der begnadete Autor und Drehbuch-Schreiber Wolfgang Kohlhaase („Solo Sunny“,“Die Stille nach dem Schuß“) unter dem Titel „Fisch zu viert“ zusammen mit Rita Zimmer aufgeschrieben hatte, nahm bisher jedes Theater mit Freuden entgegen. Es ist ja auch ein sehr dankbares Stück: handfeste Geschichte mit unerwarteten Wendungen, doppelbödige Dialoge, Pfeffer, Salz und natürlich auch Arsen, das gehört im letalen Kontext natürlich dazu. Viel Lorbeer auch, wenn man aus zwei Fischen ein genießbares Essen bereiten will. Besser Hecht, oder lieber Karpfen? Schön, wenn diese vielfach bewährte Kriminalkomödie nun auch die Werderaner Comédie Soleil erreicht.
Vorerst wird sie unter der Regie von Michael Klemm en suite an den verbleibenden Januar-Wochenenden gegeben, doch ein wesentlich längeres Leben wird ihr unter Garantie gestattet werden. Nun lebt ein solcher Text von der Lebendigkeit seiner Figuren und ihrer Beziehungen zueinander. Während Lockenkopf Cäcilie, die Mittlere, immer noch von ihrer Jugendliebe und manchmal aber auch von Rudolf (Michael Klemm) träumt, ist die Affäre für die kühle Charlotte (Michaela Wrona) mit ihrem eisgrauen Haar längst passé. Clementine (Nadja Winter) ist der Nesthaken, zwar verspielt und naiv, aber für den Ausgang dieser Geschichte entscheidend. Obwohl sich Verena Ehrmann als süßigkeitssüchtige Cäcilie ruhig etwas mehr anstrengen könnte, haben alle drei Schwestern für sich ein passables Spiel entwickelt. Als es dann an die Enthüllung und Abrechnung ihrer Geheimnisse geht, funktioniert das nicht mehr so gut, die Szenerie schleppt. Müssten diese wohlsituierten Bürgersdamen in wechselnden Bündnissen nicht keifen und kneifen, kratzen und spucken, bis Jens Uwe Behrend Angst um sein Bühnenbild, einen Salon im Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts, bekäme?
Hier war viel zu wenig Gewürz, schließlich stinkt Fisch noch immer vom Kopf her. Roman Gegenbauer als Moritatensänger hatte vor dem Spiel und nach der Pause einen schönen Text, nur sollte er dessen Wirkung dem Publikum überlassen, statt ihn mitzuspielen. In Erwartung neuer Zuschauer wird das Ende natürlich nicht verraten. Sagen darf man aber, dass die vielgestaltige Liebe noch immer durch den Magen muss, dass der Titel des Stücks vollständig eingelöst und das Wort „Comédie“ beim Worte genommen wird. „Fisch zu viert“ ist ein Grund, mal wieder nach Werder zu fahren. Anschließend kann man ja irgendwo Fisch essen gehen. Notfalls auch zu viert.
Die nächsten Vorstellungen in der Comédie Soleil: 20. und 21. 1. jeweils um 19.30, am 22. 2. schon um 17 Uhr
Gerold Paul
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