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KulTOUR: „Hier liegt ein guter Mann begraben“

Musikalisch-literarischer Nachmittag im „Letzten Garten“ – eine gelungene Komposition

Stand:

Stahnsdorf - Noch vor den festgelegten Tagen im November gedachte man vergangenen Sonntag auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof des Todes und des Sterbens. Mehr als 50 Besucher hörten im Rahmen der Musiktage, welche der Förderverein in der Stabholzkapelle zugunsten der Pflege dieser weitläufigen Anlage regelmäßig veranstaltet, was die Weltliteratur aus dem „Letzten Garten“ zu berichten weiß.

Klaus Büstrin hatte dafür Texte aus mehreren Jahrhunderten zusammengestellt, Karin Liersch und Brigitte Breitkreuz begleiteten den heiter-besinnlichen Nachmittag an Violoncello und Gitarre. Klaus Büstrin bemühte sich als Vorleser und Gestalter, den Schrecken um Tod und Sterben etwas zu lindern, ohne den Ernst dieses Faktums zu leugnen.Heiter und wie versöhnt von hinnen zu gehen, gilt ja bis heute als ganz große Kunst. Das weltliterarische Personal war durchweg männlich besetzt.

Rilke und Goethe fehlten, dafür Theodor Fontane anfangs und zum Beschluss: Seine Gräber liegen „weit verstreut über Stadt und Land“, der alte Ruppiner Wald war seiner Mutter Garten, über das Grab des Vaters gehe der Wind im Sonnenschein, schön gesagt. Francesco Petrarca, erster Dichter der Renaissance, wägte zwischen Diesseits und Jenseits ab: Hoffnung betört nur hienieden, doch „wie oft wird (dort) das Seufzen vergeben “. Bei Torquato Tasso überwog das glühende Herz der Liebe als bleibende Größe, stärker als der Tod.

Die Musikauswahl passte sich den Zeitläufen weitgehend an. Zu Fontane gehörte Felix Mendelssohn-Bartholdys berühmtes „Lied ohne Worte“, zur frühen Neuzeit drei wunderbare Recercare von Ortiz, 16. Jahrhundert. Johann Schiffelholzens Duo in G-Dur, zügig und sehr plastisch gespielt, leiteten zum 18. Jahrhundert über, wo man Friedrich Gottlieb Klopstocks wehmütige Ode „Die frühen Gräber“ und „Bei dem Grabe meines Vaters“ von Matthias Claudius sehr bewegend hörte. Claudius spricht über dem Grabstein seines Vaters einen schönen Frieden aus: „Hier liegt ein guter Mann begraben“.

Während sich die folgenden Musikstücke – Franz Schuberts „Leise flehen meine Lieder“, Friedrich von Flotows „Letzte Rose“ und „Freut euch des Lebens“ von Caspar Kummer – eher eines ernsten Tones befleißigten, war die Lektüre seit Johann Peter Hebels „Kannitverstan" zunehmend heiter, was sich ja zuvor schon in der sonderbaren Grabrede aus dem „Eingebildeten Kranken“ von Molière angedeutet hatte: Wehmütigen Blickes seufzte Heinrich Heine noch, ihm werde man keine Messe singen, während Joseph Roth in seiner „Kapuzinergruft“ mit Augenzwinkern zeigte, warum es nicht gut ist, beim Sterben zu lügen. James Joyce ließ in seinem Roman „Ulysses“ einen Ministranten beim Grabgebet sogar über den dicken Priester vor sich mit „V-Effekt“ sinnieren.

Am Schluss dieser ausgewogenen Veranstaltung – selbst eine Komposition – stand die gern gehörte Mär von Herrn Ribbeck auf Ribbeck und seinem Birnbaum. Dieser Nachmittag hatte Substanz – im letzten Garten. Gerold Paul

Gerold Paul

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