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Potsdam-Mittelmark: „Hier nichts zu tun, wäre ein Verlust“

Der Sabersky-Erbe Peter Sonnenthal über seine Pläne in Teltow-Seehof, Missverständnisse und Fehler

Stand:

Es heißt, sie wollen Teltow-Seehof in der Tradition einer Gartenstadt weiterentwickeln, wie es Ihre Familie in den 20er und 30er Jahren begonnen hat. Wie sieht diese Tradition aus?

Es tut mir leid, aber bereits die Frage birgt ein Missverständnis. Die Saberskys und die Sonnenthals hatten eine Farm, das Gut Seehof. Anfang bis Mitte der 30er Jahre wurde Seehof für eine Ausweisung als künftiges Bauland gegliedert. Dabei wurde der Gedanke einer Gartenstadt erstmals entwickelt. Pläne dafür wurden nicht verwirklicht. Wir wissen warum: Der Zweite Weltkrieg machte alle Pläne zunichte. Es war Ziel der Nationalsozialisten, Juden zu enteignen, und unter diesem Verfolgungsdruck hat auch meine Familie Seehof verlassen. Auch später, im Sozialismus, konnten die Pläne für Seehof nicht verwirklicht werden. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass es Unrecht war, was damals passiert ist. Daher ist es heute an uns, Vorstellungen zu entwickeln: Was ist in Seehof erhaltenswert, was kann neu gestaltet werden. In unseren Konzept, das sich jeder, der will, anschauen kann, ist vieles gekennzeichnet, was historisch wertvoll und zu schützen ist und was im Sinne einer Gartenstadt entwickelt werden kann.

Für wertvoll und schützenswert halten die Seehofer vor allem das Wäldchen entlang der Lichterfelder Allee, und seit Wochen geht die Sorge um, dass dieser Wald nahezu komplett verschwinden soll.

Ich denke, es hat in der jüngsten Vergangenheit etliche Missverständnisse gegeben. Da ist die Rede von 4000 Bäumen, die gefällt werden sollen. Das ist eine verrückte Vorstellung. Wir haben die Bäume untersucht und gezählt – und es sind nicht einmal 4000, die sich hier befinden. Wir würden nach unseren Plänen etwa 600 Bäume fällen, davon 150 Bäume mit einem Durchmesser von mehr als 25 Zentimetern – keinen einzigen ohne eine Genehmigung. Und wir werden der Forderung nach Ausgleichmaßnahmen nachkommen. Die Frage ist jedoch wo.

Sie wollen über 100 Grundstücke verwerten und bebauen. Das klingt nach viel Verdichtung, so dass man in Seehof den Verlust der grünen Gartenstadt fürchtet.

Die Sonnenthals werden etwa 160 Grundstücke rückübertragen bekommen. Einige sind bereits bebaut. Einige andere sollen entwickelt werden. Sicher, manch einem mag es in Teilen groß erscheinen, was wir planen, aber wir legen Wert darauf, das Wichtige zu erhalten – und das ist das Grün. Es geht nicht um Gewinnmaximierung. Wir wollen langfristig unserer Verantwortung gerecht werden. Doch das kann nicht bedeuten, gar nichts zu entwickeln.

Warum nicht? Offenbar gefällt den Seehofern, zumindest denen, die sich jetzt in einer Bürgerinitiative engagieren, der Status quo?

Es gibt keinen Status quo. Wir sehen der Rückgabe privaten Eigentums entgegen. Ich werde Rechte haben, Dinge mit meinem Eigentum zu tun. Der Status quo endete mit der Wiedervereinigung. Seitdem haben wir hier einen Konflikt ausgetragen und wer dachte, es wird sich nichts ändern, ist falsch informiert und beraten gewesen. Vielleicht haben es manche ignoriert oder verdrängt, wir haben das nie getan. Wir hatten über ein Jahrzehnt eine unglaubliche Situation, die für alle Beteiligten nicht leicht war. Doch heute reden wir über privates Eigentum, und die Rechte des Eigentümers sind zu respektieren. Jetzt haben wir die große Chance zu verhandeln, zu reden und etwas zu gestalten. Das ist großartig.

Welchen Nutzen hat Teltow von Ihren Vorstellungen, privates Eigentum zu entwickeln?

Zunächst noch einmal in aller Klarheit: Wir als Erben werden Eigentümer sein! Grundstücks- oder Parkflächen werden nicht öffentlich sein, wenn es keine Verständigung und Kompromisse gibt. In zwei Gesellschaftsordnungen wurde uns unser Eigentum genommen und vorenthalten. Das wird nicht wieder passieren. Ich werde nicht still sitzen, wenn das passiert. Jetzt gibt es die Gelegenheit, etwas gemeinsam zu entwickeln – die Stadt zusammen mit uns. Die Lichterfelder Allee ist die größte Geschäftsstraße in Seehof. Auf der einen Straßenseite ist städtebauliches Chaos und Beliebigkeit: große Häuser, kleine Häuser, Geschäfte, kein Konzept. Was wir vorschlagen, ist die Vollendung der Gartenstadt als Einheit, mit vielen Bäumen und der Liebesinsel als Biotop. Wir haben einen modernen Plan mit repräsentativen Doppelhäusern auf 500 bis 1000 Quadratmeter großen Grundstücken entlang der Lichterfelder Allee. Wir stellen uns diese Häuser für eine kombinierte Wohn- und Dienstleistungsnutzung vor, etwa für Freischaffende und Selbstständige. In den nördlichen Bereichen von Seehof könnten kleinere Einfamilienhäuser entstehen. Ich denke, dass ist keine übermäßige Bebauung und gut für Seehof. Hier, an dieser repräsentativen Straße nichts zu entwickeln, wäre ein enormer wirtschaftlicher Verlust, nicht nur für uns, sondern auch für die Stadt. Warum sollte man es ablehnen, hier etwas zu gestalten?

Aber warum die Mühe. Warum das Risiko, sich mit Anwohnern, städtischen Politikern und Behörden zu streiten?

Wir könnten sagen: Okay, wir verkaufen nur die Grundstücke und was und wie gebaut wird, kümmert uns nicht. Wir können hunderte neue Häuslebauer herholen und jeder mag seine kleinen Kämpfe austragen. Sie können unterschiedliche Häuser in verschiedenen Stilen, Größen und Farben errichten. Die Alternative dazu wäre eine Siedlung mit Häusern, die gefallen und mit einem bestimmten, einheitlichen Gefühl entwickelt sind. Unsere städtebauliche Konzeption, die Gartenstadt mit einem einheitlichen Charakter zu entwickeln, ist ein Angebot an die Stadt. Wir wollen am Ende etwas haben, womit alle zufrieden sind und womit sich alle wohl fühlen.

Wird es nicht schwierig sein, potenziellen Interessenten unbebaute Grundstücke zu verkaufen und ihnen gleichzeitig vorzuschreiben, was und wie sie zu bauen haben. Wie stellen Sie sich das vor?

Wir sind noch nicht in der glücklichen Lage zu sagen, wie dieser Prozess abläuft. Was wir uns vorstellen, ist eine thematische Entwicklung, wofür man Parameter und Richtlinien definiert. Wenn jemand ein Grundstück haben will, um dort eine Tankstelle zu bauen, werde ich es nicht verkaufen, weil es nicht das ist, was ich mir vorstelle.

Es gibt allerdings Entwicklungen auf inzwischen restituierten Grundstücken aus der jüngeren Vergangenheit, die als Bausünden empfunden werden - so die sechs großen Stadtvillen an der Sabersky-Allee, dem so genannten Six-Pack.

Es sind in der Vergangenheit Fehler gemacht worden, die wir in Zukunft nicht wiederholen dürfen. Den ersten Fehler machte jedoch das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen, als es 1991 die Restitutionsansprüche meiner Familie komplett ablehnte und über ein Jahrzehnt vertan wurde, um Seehof einheitlich entwickeln zu können. Auch die Stadt Teltow hat Fehler gemacht, als sie 1994 den Wald entlang der Lichterfelder Allee zur geschützten Grünfläche erklärte, ohne die Sabersky-Erben bei der Entscheidung einzubeziehen. Gut, die Frage der Grundstücke war nicht entschieden, aber es wurde über restitutionsbehaftete Grundstücke befunden.

Haben Sie einen Zeitplan, in dem Sie die städtebaulichen Vorstellungen für Teltow-Seehof umsetzen wollen?

Mein Zeitplan? Den Rest meines Lebens. Ich kenne die Geschichte meiner Großeltern und Eltern und die lange Zeit, die es gedauert hat, das an ihnen verübte Unrecht anzuerkennen. Man muss die Ironie der Geschichte sehen: Meine Großeltern haben als Deutsche Seehof verlassen, ich komme als Amerikaner zurück, spreche kaum deutsch, habe inzwischen eine deutsche Frau und einen Sohn. Der Kreis beginnt sich zu schließen. Es hat viele Jahre gedauert bis zur Restitution der Grundstücke und es wird weitere Jahre dauern, unsere Plänen zu entwickeln und sie zu verbessern. Wir sind erst am Beginn unserer Überlegungen, und es wird noch zahlreiche Veränderungen geben. Ich habe keine Eile. Doch ich hoffe, dass wir auf der Basis der Anerkennung dieser Geschichte und auf der Grundlage von Fakten diskutieren können.

Das Interview wurde in englischer Sprache geführt und übersetzt von Peter Könnicke

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