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KulTOUR: Hinter Gittern

Frank W. Weber macht sich Gedanken über Kunst und Gesellschaft

Stand:

Werder - Das Landratsamt Belzig hatte es sicherlich gut gemeint, den Tag des Offenen Ateliers mit dem 128. Baumblütenfest in Werder (Havel) zu verbinden. So aber waren alle Zufahrten nach der Innenstadt gesperrt, ein endloser Strom junger Leute wälzte sich über die Eisenbahnstraße zum Zentrum der Obstmuckerstadt. Ein Glückstag für die Leergutsammler.

Zum Atelier von Frank W. Weber („Aratora“) wälzte sich in der dritten Stunde eher fast nichts. Dabei hatte der Maler eine ziemlich kuriose Aktion angekündigt. Unter dem Motto „Dinge, die zu nichts nützen, müssen beschützt werden“ (Charlotte von M.), wollte er sich in seinem Atelier selbst hinter Gitter bringen, um während eines „normalen Arbeitstages“ ungestört der Frage nachzusinnen, ob nun „der Künstler vor“m Publikum oder das Publikum vor“m Künstler“ zu schützen sei?

„1a Künstlerfutter“ in Tüten (1 Euro) „nur nach Aufforderung“ sollte den Kontakt zwischen dem selbstgewählten Refugium und „der Öffentlichkeit“ herstellen, falls Herr Weber nicht gerade „übersättigt“ sei. An seinem Kopf befestigte Elektroden würden seine Gedanken auf einem Display für den Besucher vorm Gitter sichtbar machen. Etwa: „Ich bin ein Raubtier, sprach das Schaf, und fraß den Wolf“, oder „Immer entscheide ich, was hier gemalt wird. Ob ich einen Verein gründe?“ Unsichtbar hingegen die versteckte Kamera, welche den listigen Mann unweigerlich wieder in die Offensive bringen würde. Kunst hinter Gittern ist ohnehin nur ein Spiel zwischen Schaffen und Rezeption. Sein Spruch „Wenn ich nur an mich selbst denke, dann ist auch an alle gedacht“, bewegte übrigens schon das 18. Jahrhundert.

Er hatte sich mit dieser Performance also Gedanken zum Thema Kunst und Gesellschaft gemacht, oder über den Künstler und sein Publikum, was hier dasselbe ist. Dieses aber blieb zur Berichterstattungs-Stunde aus. Zweie kamen zwar vorbei, um „mal wieder Guten Tag zu sagen“, aber sie hüteten sich, die Fütterung zu vollziehen, und trollten sich bald in den Garten.

Niemand tat ihm den Gefallen, obgleich sich der Vergitterte wider Erwarten auf ein Gespräch einließ. Die eigens produzierte Flugschrift „Künstler – Homo Artiensis“ lieferte dazu die theoretische Grundlage.

Was nun, Herr Weber? Ein angefangenes Bild, schiefe Häuser und einen satten Bauarbeiter aus Krakau im Stil der Neuen Sachlichkeit stand auf der Staffelei bereit. Der Performand aber saß links um die Ecke am Computer, um an seinen Monatsmappen zu arbeiten. Dergestalt fast unsichtbar, mochte er sich bei seiner „non stop Performance“ sowieso nicht stören lassen, er wollte „das Ding durchziehen“, notfalls auch ohne die Voyeure vor dem starken Eisengitter.

Hier aber war schon die Antwort: Niemanden muss man beschützen, wenn keiner hingeht. Ohne Publikum gibt es keine Kunst, ohne Zuschauer keine Performance. So blieb der 1958 in Querfurt geborene „Querdenker“ einfach nur privat hinter Gittern. Samt seiner Bilder zählt er sich offenbar zu den „Dingen, die zu nichts nützen“, die also „beschützt werden müssen“ – und macht sich so recht gescheit doch wieder „nützlich“.

Nun ist doch noch etwas geworden, auch wenn der Denkansatz vorderhand etwas philiströs wirkt. „Ist der Raum um mich herum austauschbar?“, fragte sein Display. Ist Weber als Homo Artiensis ersetzbar? Die Antwort kann selbstverständlich nur Jein lauten. Sendeschluss. Auf Werders Straßen tobte längst das wirkliche Leben.

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