KulTOUR: Ho-ho, Hu-hu, Husch-husch
Die Comédie Soleil kann mit ihrer Inszenierung von „Die Flügel des Königs“ nicht überzeugen
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Werder (Havel) - Manchmal ergeht es Theaterleuten wie der deutschen Fußball-Nationalelf: Zuerst Ho-Ho, dann Hu-Hu, und am Schluss gerade so noch Unentschieden. Die neueste Husch-Husch-Produktion der Werderaner Comédie Soleil ist so ein Wechselbalg. Man versteht und billigt ja die Absicht des Münchener Anonymous-Autors Jan van Holbein, die Rolle von Volk nebst König mal so richtig gegen alle Korrektheit zu bürsten, den Versuch der Werderaner, eine laut Programmheft aberwitzige und schrille Komödie zu präsentieren, die Tiefsinn mit Witz und Weltgeist an Schwarzgalle zu binden verstehe.
Den Stoff für einen solchen Generalangriff aufs Gegenwarts-Bewusstsein liefert der dürftige Text „Die Flügel des Königs“: König Peter dem Allerletzten ist trotz erheblicher Streicheleinheiten im Sozialen und sonstwo das Volk davongelaufen. Nur sein Narr (Nadja Winter), ein rollenmäßig unbedeutender Ausrufer (Romeo Riemer) und die stark berlinernde Klofrau (Michaela Wrona) sind ihm treu geblieben. Langeweile breitet sich aus rund um seinen Hochsitz, dessen Flanken ein Paar gewaltige Ikarus-Flügel zieren.
Diese wahrlich gähnende Leere füllt der Autor mit Peters Kindheitserinnerungen, Jugendträumen und so manch royalistischem Seufzer auf. Und mit dem königlichen Traum, einmal im Leben fliegen zu können. Schaut man genau, so trägt sein Mantel die Farben Schwarz und Rot, während die Hohe Krone gülden scheint - ein versteckter Hinweis auf irgendetwas?
Der Autor kann vom Theater nicht viel gewusst haben: Die Darsteller stehen mit der betont handlungsarmen Textvorlage vor dem Problem, dieses vereinsamte Blaublut in die Luft zu bekommen, denn darauf läuft alles hinaus. Michael Klemm fliegt am Schluss tatsächlich mit schier homerischem Lachen davon, aber warum, wohin, und wie kam es dazu?
Hätte er bis dahin seine Flügel mit einem „Da geht mir keiner ran!“ nicht selber putzen und pflegen müssen, um diesen Traum glaubhaft zu machen, anstelle des Narren? Und welche Rolle spielte der Ausrufer, außer keiner? Bloße Anwesenheit genügt eben nicht. Vier Darsteller - null Tendenz, alles spielt auf einer Ebene.
Palaver über die Welt- und Staatspolitik, über Finanzkrise und die dummbärtige Trägheit des Volkes, Quietschenten-Töne als Eingedenk-Hilfe, eine völlig verpatzte Szene im königlichen Kinderlaufstall - hui, wo wollte die Inszenierung von Michael Klemm mit ihren philosophelnden Tönen überhaupt hin? Viel zu flügellahm das Ganze, mithin das Dünnste seit Langem.
Michaela Wrona bemühte sich wenigstens, ihrer Rolle Profil und etwas Tiefe zu geben, andere eher nicht. Hat das Team denn noch nie etwas von Rollenaufbau, Subtext und szenischen Vorgängen gehört? Langeweile, so lernt man es früh, darf niemals lange Weile sein, sondern Kampf gegen sie! Was als Text beansprucht, ein Gleichnis der menschlichen Existenz zu sein, war auf der Bühne weder Fisch noch Fleisch, nicht Komödie oder Clownerei und auch nicht grotesk. Von allem etwas, aber nichts ganz, dafür sehr behäbig. Hier fehlte einfach zu viel: der Regie eine glaubwürdige Konzeption, der Darstellung Spannung und Zielstrebigkeit, den Szenen Vorgang und Witz, den Handlungen die Details. Mein Gott, wer so Fußball spielen wollte, könnte wohl niemals gewinnen!Gerold Paul
Die nächsten Vorstellungen von „Die Flügel des Königs“ in der Comédie Soleil in Werder: 2., 3. und 4. November
Gerold Paul
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