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Erwartungsvoll. Die Obstweinverkäufer hoffen auf ein gutes Wochenende.

© Anton

Potsdam-Mittelmark: Hoffen auf den zweiten Frühling

Nach einem guten Auftakt sorgen Kälte und Regen für leere Bierbänke beim Baumblütenfest in Werder. Das Wochenende soll jetzt für einen versöhnlichen Abschluss sorgen

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Werder (Havel) - Schlagermusik weht über leere Bierbänke. Das DJ-Pult steht verwaist in einem Zelt daneben, an den Getränkewagen wird nur vereinzelt Obstwein gezapft. Durch die Baumkronen wirft die Sonne Lichtkleckse auf die Bodenplatten aus Beton.

Am Mittwochnachmittag ist nicht viel los auf der Friedrichshöhe in Werder. Dabei hat sich zur Halbzeit der Baumblüte das Wetter der Veranstalter erbarmt. Die Besucher, die den Weg vom Bahnhof hier herauf gefunden haben, schälen sich aus Jacken und Pullovern und gehen weiter auf den Hohen Weg, Richtung Altstadt.

Entlang der Strecke wartet Florian Biebeler, der am Stand seines Schwagers aushilft. Er ist zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Fests, vor allem der Sonntag war bei „bombastischen Wetter“ gut. Am verregneten Dienstag hingegen sei gar gar nichts los gewesen.

Das bestätigt Stefan Hering, der ein paar Hundert Meter weiter Obstwein ausschenkt. Generell sei weniger los als im vergangenen Jahr, findet er. Am Dienstagnachmittag seien viele Stände auf dem Hohen Weg außerdem gar nicht besetzt gewesen. „Da entstehen große Lücken, die Gäste waren enttäuscht“, sagt er.

Auch an diesem Nachmittag sind einige Obstweinstände geschlossen. Auf den Bänken sitzen vor allem ältere Leute. Schüler und Studenten spazieren an ihnen vorbei. Im Stadtgarten des Obsthofes Lindicke herrscht als einziges Hochbetrieb. Etwas weiter auf der Bismarckhöhe hingegen stehen ebenfalls weitgehend leere Bierbänke vor der Bühne. Eine Live-Band spielt und singt um die Aufmerksamkeit von etwa 40 älteren Herrschaften.

Einen halben Kilometer Luftlinie entfernt umklammert Christin Schiffner mit ihren Händen einen Stapel Autogrammkarten. Schlagermusik begleitet die junge Frau im rosa Kleid mit Schärpe und rosa Blüten im blonden Haar auf ihrem Weg zwischen festlich gedeckten, voll besetzten Tischen. Sie schüttelt die Hände der Alten an den Tischen, unterschreibt die Karten mit ihrem Konterfei und posiert für Fotos.

Der Besuch in den Seniorenheimen der Arbeiterwohlfahrt ist seit mehr als zehn Jahren fester Termin im Kalender der Werderaner Blütenköniginnen. Die Bewohner sind glücklich über die Abwechslung. Auch Schiffner freut sich „sehr, hier zu sein“. Es ist ihr einziger fester Termin an diesem Tag. „Das Wochenende war anstrengend“, erzählt die 21-Jährige, „anstrengender als gedacht“. Nebenbei lernt sie noch für die Abschlussprüfung ihrer Ausbildung Ende Mai. Doch Schiffner genießt die intensiven Tage. In einem Tagebuch hält sie alle Erlebnisse fest, an die sie sich schon jetzt beinahe nicht mehr erinnern kann: Hahnenkrähen, Baumblütenlauf, Festumzug. Und sie freut sich auf das Abschlusswochenende.

Auf dem Fest am Fuß des Schwalbenbergs geht unterdessen langsam der Tag in den Abend über. Die Sonne ist grauem Himmel gewichen. Auf dem Rummel und am der Stadt zugewandten Ufer der Insel sind zahlreiche junge Paare mit Kindern unterwegs. Am sogenannten Familientag bieten die Fahrgeschäfte reduzierte Preise an. Drei Euro anstatt 3,50 Euro heißt das zum Beispiel. Es herrscht großes Gewusel.

Auf der anderen Seite der Insel geht es ruhiger zu. Um auf den Bierbänken an der Havel zu sitzen, weht ein zu kalter Wind. Seniorchef Dietrich Wache vom gleichnamigen Obsthof in der Fischerstraße hofft nach der schlechten Witterung der vergangenen Tage auf ein schönes Wochenende. „Hoffentlich kommt noch ein Ansturm“, sagt er und meint die Besucherzahlen, „sonst müssen wir bis Weihnachten noch viel Obstwein trinken.“

So negativ wie Wache sehen nicht alle Obstbauern die bisherige Bilanz der Baumblüte. Stefan Lindicke, Obstbauer aus dem Ortsteil Plötzin, hebt den Sonntag hervor, an dem es sowohl auf den Höfen als auch in der Stadt „brechend voll“ war. Insgesamt spricht von einem bisher leicht unterdurchschnittlichen Blütenfest. Auch er hofft deswegen auf schöne Tage von Freitag bis Sonntag.

Gemeinsam ist den Obstbauern die Sorge um die nächste Ernte. „Katastrophal“, nennt Wache die Verluste durch die lange Kälteperiode. „So einen Hieb habe ich in 60 Jahren nicht erlebt“, sagt er und hofft, dass der Staat, dass die Region sich Gedanken macht, wie man den Bauern unter die Arme greifen kann.

Vor der Bühne am Markt auf der Insel sitzen etwa 50 Leute auf Bierbänken um den Brunnen. Drei Mutige tanzen zur Schlagermusik, die über den Platz schallt. Im mit Blüten geschmückten Beetle-Cabrio fährt Christin Schiffner samt Fahrer vor. Am Rande des Markts schreibt sie Autogramme für junge Mädchen, die es zu der Frau im Prinzessinnenkleid zieht.

Vor der Hauptbühne an der Regattastrecke sitzen etwa 150 Menschen. Eine Gruppe Jugendlicher wirft unter Johlen einen Tisch um. Zwei Polizisten kommen vorbei, schätzen die Szene kurz ab, gehen dann weiter. Die Jungs stellen den Tisch wieder auf. Es bleibt ruhig. Werder wartet auf das Wochenende.

Martin Anton

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