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KulTOUR: Höllenglut und Himmelsrausch

Kunstgruppe Stilus präsentiert irdische Phantasien in Petzower Kirche

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KulTOURKunstgruppe Stilus präsentiert irdische Phantasien in Petzower Kirche Werder · Petzow - Begriffe wie „oben und unten“ oder Himmel und Hölle werden heute zu Unrecht selten gebraucht, es gibt sie ja wirklich. Alles, was sich denken oder darstellen lässt, ist auch vorhanden, ob man“s nun glaubt oder nicht. Wer sich dergestalt präpariert, dem kann bei der diesjährigen Ausstellung von „Kulturpunkt Stilus e.V.“ in Petzows Schinkelkirche eigentlich nichts passieren, zumal sie sich auf originelle Art und so wie so in das „Kulturland“-Thema 2005 („Himmel auf Erden“) einfügt. „Irdische Phantasien“ nennt der Verein das Projekt, und es handelt augenscheinlich von „oben und unten“. Die Vernissage am Sonntag war so gut besucht wie nie, der scheinbar verweltlichte Bau schien aus allen Fugen zu drängen. Verhangen die Hochfenster im Schiff, verdeckt mit goldener Folie, was später von oben herab sich auf Augenhöhe senkte – Arbeiten dieses Vereins nach Art der bildenden Kunst, der Fotographie oder der unmittelbaren Gegenständlichkeit, wie ein flackernder Kamin vorne rechts in seiner Künstlichkeit. Unbekannterweise, denn so anmutig diese Verkaufsexposition dem Betrachter auch schmeichelt, so mangelhaft ist die Untertitelung. Vorab jedoch nutzte man die himmelblaue Apsis als Projektionsfläche für eine Dia-Schau, um diverse Feuer der oberen oder unteren Art darzustellen. Aus Leegebruch war ein Trupp Engel und Teufelchen – Kinder der Ballett- und Tanzschule „Dance Point“ – mit thematischen Choreographien zur Musik von John Williams angereist, und Olaf Kaminski sang seine humorvollen Songs zur Gitarre. Im übrigen erhielt der Besucher endlich die Chance, gegen ein Entgelt Ablass „von allen Sünden und Missethaten wider des Guten Geschmacks“ zu erhalten, was Tetzelgleich verbrieft und gesiegelt ward – auf zehen Tage. Sehr hübsch, diese Eröffnung! Die Ausstellung ist meditativ angelegt, unspektakulär, sympathisch. Was immer hingebaut oder angehängt ist, fügt sich zum Thema. Rainer Gottemeier etwa meint, es sei Zeit, „Dank zu sagen“ für diese Schöpfung, und baut eine von Lüften bewegte Folienkammer, darin die Neonzeichnung eines altägyptischen Ba-Vogels glüht. Wem danken? Der Natur. Wer ist das? Wir, die Menschen – sagt er. Gleich daneben Fotos von Klaus Brenneisen, eine Treppe irgendwohin, ein Gullydeckel aus New Orleans mit Zeichen von Himmel und Sternen. Ein anderes gibt das Markenschild „Olymp Hades“ spiegelverkehrt wider. Da sei viel Nachdenklichkeit! Heidi Lüders schuf auf der Suche nach Chaos und Form, geheimnisvolle Radierungen mit ganz sanftem Kolorit, zugleich ein Grenzfall zwischen Gegenständlichkeit und Ornament. Das „Potzlow“-Foto (Gabriele Tigge-Tagge) steht für einen nördlichen Flecken des nazistischen Antisemitismus, auch eine Vision des Chthonischen. Gegenüber hat sich Detlef Denzer sehr um die untere Materie bemüht: Seinen Acrylbildern sind tellurische Masken und sogar ein echtes Feuerloch (gusseisern) aufmontiert – Höllenglut und Himmelsrausch, aber es fährt ja daneben auch eine Schweineseele selig hinauf. Ellen Ernst macht in einem schmalen Diptychon den Himmel hoch, die Erde klein, Olaf Kaminski nennt seine Tusche – ja war er denn da? – „Süß ist die Hölle und rot ist der Mund“, Michael Gündel lässt aus acrylischer Unschärfe gefaltete Hände oder ein inferiorisches Gesicht erstehen. Michael Gerhard malte sogar den Schein des aktuellen Papstes. Alle Künstler kann man nicht nennen, aber alle wollen solcherart ergründet sein.

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