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Da ist es: Rainer Genilke, Verkehrs- und Infrastrukturpolitischer Sprecher der  CDU-Fraktion im brandenburgischen Landtag, misst am Donnerstag (18.08.2011) in Caputh mit einem Lärmmessgerät die Fluglärmbelastung.

© Daniel Gammert/dpa

Flugrouten-Streit: „Hörprobe“ bestätigt Belastung der Havelsee-Region durch Fluglärm

Maschinen überfliegen Gebiet bei Werder und Schwielowsee in nicht einmal 1000 Meter Höhe. Am Donnerstag wurde nachgemessen.

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Schwielowsee - Werner Große schaut zum Himmel. Der Bürgermeister von Werder malt sich aus, wie verzückt die Passagiere in dem Flugzeug sein müssen angesichts der Seenlandschaft, die sie gerade überfliegen. Die Havelsee-Region südwestlich von Potsdam muss für sie zum Greifen nah erscheinen. Zu ebener Erde sind Große und seine Amtskollegin aus Schielowsee, Kerstin Hoppe, alles andere als begeistert: „Wir bekommen gerade bestätigt, dass Flugzeuge auf ihrem Landeanflug nach Schönefeld in nicht einmal 1.000 Meter über unsere Region fliegen. Und das ist laut“, sagt Hoppe.
Wie laut, bekommen Große und Hoppe am Donnerstag während einer „Hörprobe“ illustriert. Zu der haben der Leiter der Deutschen Flugsicherung (DFS) in Berlin, Hans Niebergall, und die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche (CDU), in die Schwielowsee-Gemeinde Caputh eingeladen. Seit in der Diskussion über die Flugrouten für den neuen Großflughafen in Schönefeld bekanntwurde, dass die Havelsee-Region in der Anflugschneise liegt, hat sich auch hier massiver Widerstand formiert.
Die Bürgerinitiative „Kein Fluglärm über den Havelseen“ kämpft energisch gegen Fluglärm. Die Bürgermeister von Werder, Schwielowsee, Michendorf und Nuthetal bemühen sich um Aufnahme in die Fluglärmkommission - bislang vergeblich.
Zwtl.: 53 Dezibel werden gemessen Für die reichliche Stunde der „Hörprobe“ kündigt Niebergall fünf bis sechs Maschinen an, die sich auf dem Landeanflug nach Schönefeld befinden. „Vorausgesetzt sie sind pünktlich, und es herrscht Ost-Wind-Wetterlage“, schränkt der Berliner DFS-Chef ein. Dann reckt Staatssekretärin Reiche den Finger in die Höhe: „Ich hör was!“ Niebergall checkt das Flight-Radar-System auf seinem Laptop und bestätigt: „Easyjet von Glasgow nach Schönefeld. Ein Airbus 320.
2.800 Fuß“. Bürgermeister Große rechnet: „Keine 1000 Meter!“ 53 Dezibel werden gemessen, etwa genauso viel sind es bei den vier anderen Flugzeugen, die innerhalb der nächsten 45 Minuten über Caputh düsen. Der Lärm mischt sich unter die Motorengeräusche, die von der Dorfstraße mit bis zu 66 Dezibel herüber dröhnen. Auch das Geläut der Kirchenglocke wird vom Geräusch einer Boeing 737 überlagert, die eine Schleife über Caputh dreht. „Wohnt man wie ich nicht direkt an der Straße, sondern dort, wo es etwas ruhiger ist, empfindet man den Fluglärm doppelt so laut“, sagt Hoppe.
Zwtl.: DFS: Nur wenige Maschinen werden Havelsee-Region überfliegen Für die Bürgermeisterin ist die „Hörprobe“ eine Bestätigung, dass der Flugverkehr des neuen Airports in Schönefeld für die Havelsee-Region zur „enormen Belastung“ geworden wäre, wenn die DFS ihre ursprünglichen Pläne durchgesetzt hätte. Nach heftigen Protesten hat die Behörde nachgebessert und vor einigen Tagen einen Vorschlag präsentiert, den Niebergall am Donnerstag noch einmal bestätigt.
Demnach soll die Region lediglich in einem radargesteuerten Anflugverfahren in Stoßzeiten überflogen werden. Ansonsten müssen die Piloten, wenn sie sich im freien Anflug befinden, eine Route über weniger besiedeltes Gebiet wählen. „Somit würden nach dem Flugplan 2012 täglich etwa 20 Maschinen unmittelbar über die Havelsee-Gemeinden fliegen“, sagt Niebergall. Das sind zwei Drittel weniger Flüge als ursprünglich geplant.
Bürgermeister Große bleibt skeptisch: „Insgesamt steigt der Flugverkehr und keiner weiß, wie die Flugpläne nach 2012 aussehen.“ Und trotz Niebergalls Kopfschütteln, dass „auf Jahre hinaus eine dritte Startbahn in Schönefeld nicht nötig ist“, prophezeit Große: „Irgendwann wird die gebaut.“ (dapd)

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