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KulTOUR: Ich bin ja gar nicht toot!

Mit Moliere’s „Der eingebildete Kranke“ macht die Comédie Soleil ihrem Namen alle Ehre

Stand:

Werder (Havel) - Jean Baptiste Moliere’s „Eingebildeter Kranker“ wird von den Theatern zwar oft und gerne gespielt, aber nur selten auch gut. Vor Jahren lag das noch daran, dass die Ärzte gar nicht so zu sein schienen, wie der begnadete Komödiendichter sie schilderte. Das hat sich angesichts diverser Gesundheitsreformen und hochnotpeinlicher Geldgier-Skandale inzwischen gründlich geändert. Wenn die Comédie Soleil dieses fabelhafte Stück in Werder dann auch noch fabelhaft auf die Bühne bringt, weiß das Publikum also längst, worum es geht, und darauf kommt ja zuletzt alles an.

Inmitten von Paris leidet eine ganze Familie unter dem Krankheitswahn des kerngesunden Knausers Argan. Seine Leibärzte (Florian Wilke) nehmen ihn zu ihrem Vorteil gehörig aus, stopfen ihn zugleich mit Tabletten voll, was seine zweite Frau (Michaela Wrona) ungern nicht sieht, so tritt der Erbfall eher ein, auf den sie spekuliert. Moliere verknüpft dieses Motiv genial mit einem zweiten: Um aus egoistischen Gründen einen eigenen Arzt in der Familie zu haben, will Argon seine einzige Tochter Angelique (Julitta Witt) mit dem jungen, aber recht depperten Nachwuchs-Mediziner Thomas verkuppeln. Sie aber verspürt gerade einen sehr heftigen Appetit auf Cleante.

Wie sich eines mit dem anderen verknüpft und letztlich alles gut wird, zeigen Molieres Stück und die flockige Bearbeitung der Comédie. Regie mit leichter, glücklicher Hand führte Michael Klemm, er spielte auch den etwas gnatzigen Protagonisten ohne erkennbare Mühe. Ein gutes Zeichen: Man hatte das Publikum von der ersten Szene auf seiner Seite. Schon die Bühne von Jens Uwe Behrend ist aller Noblesse ein Witz: Rohe Holzspanplatten zwängen den Raum recht ungebührlich ein, inmitten der Thron von des Hausmantelkönigs Argan, im Hintergrund eine Leine mit Wäsche. Kann man knausernden Reichtum besser anzeigen?

Auch darstellerisch macht die Comédie nun ihrem Namen immer mehr Ehre: Selten hat man das Ensemble von Beginn an in so verliebter wie konzentrierter Spiellaune gesehen! Historische Kostüme (RUDI) natürlich, Florian Wilke macht wenig, Felix Sommer, der Schwiegersohn in spe und klistierender Apotheker, eher zu viel, er neigt etwas zum Chargieren. Argans Bruder (Bernhard-Heinrich Herzog) übte sich zugunsten seiner Nichte stark im Argumentieren.

Die trotzige, dem Hausherrn trutzende und dabei lebendige Nadja Winter als Dienstmädchen Toinett zieht freilich alle Fäden: Sie hält Argan und sein falsches Eheweib in Schach, sie führt das Liebe seufzende Paar (Cleante alias David Segen könnte stürmischer sein) zusammen, ja, durch einen witzigen Totstell-Trick überzeugt sie Argon sogar von der Falschheit seines Weibes und treuer Tochterliebe. Hier flockt die Inszenierung ein bisschen aus, es wird mehr gesetzt als erspielt.

Anerkennenswert, wie man die kopfstarke Personage auf der kleinen Bühne arrangiert und sorgt, dass Jedermann auch mitspielen muss. So hat man es mit einer lebhaften, fast schon übermütigen Ensembleleistung zu tun, wie man so sagt. Einfalt gibt es da, szenische Phantasie, Spannung und gute Tempi, vor allem eine durchweg sicht- und spürbare Spielfreude. Klemms bubenhaft-trotziges „Ich bin ja gar nicht toot!“ bleibt im Ohr zurück, und der (steigerbare!) Schreckensschrei der falschen Gattin bei seiner „Auferstehung“. Ach ja! Komödie kann so schön sein, wenn man sie kann.

Nächste Vorstellungen 16. und 17. 4. um 19.30 Uhr, 18.4. um 17 Uhr, Eisenbahnstraße 210

Gerold Paul

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