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KulTOUR: Ich sehe Dich!

Bleistiftzeichnungen von Ralf Wilhelm Schmidt in der Galerie Altstadthof in Teltow

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Teltow - Kunst und Natur müssen wohl irgendwie miteinander bekannt sein, sonst hätten die Altvorderen die Nachahmung von Natur nicht als Kunst bezeichnet. Da ist schon was dran. Auch Kunststudenten zeichnen zuerst „nach der Natur“, bevor der eigener Geist sie führt, oder Frau Phantasia. Irgendwo dazwischen lebt derzeit Ralf Wilhelm Schmidt, 1969 geboren, nach der Lehre zwanzig Jahre Forstarbeit aus Liebe zur Natur. Als der industrielle Waldabbau immer mehr um sich griff, verließ er den Tann, wiederum aus Liebe zur Natur. Was jetzt? Hilfe kam als Fügung zur rechten Zeit. Er nahm einen Bleistift in die Hand und begann einfach zu zeichnen, was ihm so einfiel. „Das wars und ich wusste, was ich tun musste“, schrieb er anlässlich seiner Ausstellung in der Teltower Galerie Altstadthof.

Inhaber Dieter Leßnau hat stets ein gutes Gespür für Künstler, die ein bisschen mehr an Aufmerksamkeit brauchen und auch verdienen. Er lobt den Wahl- Potsdamer, weil seine „exakten und dennoch schönen Zeichnungen“ an alte wissenschaftliche Bücher erinnerten. Auch das stimmt. Mit allem Respekt vor seiner Lehrmeisterin, „der Natur“, und gebührender Vorsicht bei einem Handwerk, welches er gerade mal zwei Jahre erprobt, geht der Künstler daran, eigene Erfahrungen als Bilder aufs Papier zu bannen. Für Bleistiftarbeiten übrigens in erstaunlich großen Formaten: Um eine perfekte Parklandschaft mit Fließ und Brücke im eigenen Licht zu vollenden, brauchte er achtzehn Monate.

Es sind nur ein gutes Dutzend dieser merkwürdig anziehenden Arbeiten zu sehen, eine Brennnessel, eine alte Tür in der brüchigen Mauer, die Libelle im Ried nebst Puppenstadium, ein Heuschreck frontal mit dem Titel „Ich sehe dich!“ Aber auch eine großformatige Kaskade („erschöpft“) mit dem baumelndem Menschenarm, oder der Marktturm seiner Geburtsstadt Luckenwalde, so exakt, dass alles Leben von ihm weicht. Ralf Wilhelm Schmidt macht hier zweierlei, einmal sucht er die exakte Abbildung der Natur, zum anderen probiert er die freiere Gestaltung, die Komposition. So gibt „Der weiße See“ den Weißen See fast fotografisch wieder, ein reißender Bach aber dutzende Varia grafisch erzeugter Unschärfen. Zeichnen bedeutet ihm „zu wissen, was ich noch vom Leben will“.

Eigentlich eine ganze Menge. Mit dem „Kürbis“ hat er sich vom Stift weg in Richtung Röteltechnik versucht, er wird auch mit Farben experimentieren, Bewegungsstudien machen. Wie der große Grafiker Walter Herzog kopiert er alte Meister studienhalber, Dürer, da Vinci, den Romantiker Caspar David Friedrich – seine gesammelten Vorbilder. Vielleicht ist sein Bild „Wald“ mit solcher Tutorschaft entstanden. Hier und da spürt man in diesen Arbeiten noch den Wunsch, sich der eigenen Fähigkeiten zu vergewissern, indem man Sujets vorsichtig und ganz besonders gründlich wiedergibt. Die „Kunst des Weglassens“ wird sicher bald folgen.

Ralf Wilhelm Schmidts Mut zum Neubeginn jenseits der Vierzig, seine Offenheit sowie die ausgestellten Probierstücke seines Könnens dürften ihm bereits heute einen guten „Publikumsbonus“ bescheren. Was er da mit seinen vielen Bleistiften widerspiegelt, ist gleichsam die Vorhut, die Ankunft eines Werdens, das Erkennen einer Berufung. Wen die Natur braucht, dem sagt sie „Ich sehe dich!“ Ralf Wilhelm Schmidt ist unterwegs zur Kunst – und deren Wege und Stege sind bekanntlich sehr viele.

bis 14. April Di.-Do. 14 bis 18 Uhr oder n.V., Potsdamer Str. 74, Tel. (03328 44770)

Gerold Paul

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