
© Manfred Thomas
Von Henry Klix: Im Bikini über den Laufsteg
Neue Ausstellung auf der Bismarckhöhe dokumentiert Geschichte der Baumblütenköniginnen
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Werder (Havel) - Als nach 63 Jahren 1989 erstmals wieder eine Baumblütenkönigin gewählt wurde, lief das ab wie eine „Miss Werder“-Wahl: Die 15 Kandidatinnen mussten einzeln über den Laufsteg, „die erste Runde im Wohlfühloutfit und die zweite in Bikini“, erinnert sich Jana Giese. Die Jury stellte Fragen wie aus Blondinen-Witzen: „Nennen sie einen Schaupspieler mit Schnurrbart“ oder „Stellen Sie sich vor, Sie bekommen einen Bambi verliehen und sollen sich vor dem Publikum bedanken“. Damals hieß Jana Giese noch Jana Mußfeld, sie schlug sich wacker und mit ihr als Baumblütenkönigin begann eine neue Ära des Blütenfestes, zu dem inzwischen Jahr für Jahr 500 000 Gäste pilgern.
Eine am Samstag eröffnete Ausstellung im Turm der Bismarckhöhe widmet sich der Geschichte der Hoheiten, bei deren Wahl inzwischen Ausstrahlung, Fachkenntnisse im Obstbau und Heimatverbundenheit im Vordergrund stehen – im Bikini zeigen müssen sich die Kandidatinnen schon lange nicht mehr. Stattdessen entscheiden die Reaktionen auf einen ganzen Fragenkatalog zu Blüten und Wein und eine Fahrt durch die Plantagen.
„In Werder fühle ich mich wirklich zu Hause und genieße es, als echte Werderanerin durch die Stadt zu gehen, besonders im Frühling, wenn sie in ihrer vollen Blütenpracht zu bewundern ist.“ Sätze wie der aus der Bewerbung der Königin 2006, Nancy Schöning, kamen bei der Jury an. Auch Doreen Schüler, die ihre Bewerbung vor sieben Jahren auf Apfelbriefpapier schrieb und mit ihrer Oma warb – einer Werderschen, die noch mit 90 auf dem Markt Obst und Gemüse verkauft hatte.
Fotos, Zeitungsartikel, Erinnerungstexte der Bewerberinnen und ein Original-Kleid aus dem Jahr 2004 dokumentieren, wie sich das Bewerbungsverfahren und die Aufgaben der Exzellenzen in zwei Jahrzehnten verändert haben. Ausstellungskurator Achim Risch vom „Freundeskreis Bismarckhöhe“ hat begonnen, eine „Königinnen“-Chronik zusammenzustellen, deren erste Seiten ebenfalls zu sehen sind. Warum nach der ersten Königinnenwahl 1936 der Thron über Jahrzehnte leer blieb, hat er nicht rausbekommen.
Die Chronik beginnt jedenfalls mit Johanna Schmidt, die seinerzeit noch „Maikönigin“ hieß und mit Willi Giese einen König an der Seite hatte. Johanna Schmidt stammte aus eine „gutsituierten Obstzüchterfamile“, fuhr im Eröffnungsumzug mit Kutsche voran. Inthronisiert wurde sie auf dem „Thingplatz“, der Freilichtbühne, die Nazifunktionäre in germanischer Tradition als neue Feierstätte „für den nationalsozialistischen Menschen“ eingeweiht hatten. Vom Bewerbungsprozedere damals ist nichts überliefert.
Dafür kann die Entwicklung seit der Wende recht genau rekonstruiert werden: Noch im Jahr 1995 musste Grit Herrmann lediglich eine Frage beantworten, um auf den Thron zu kommen. Immerhin lautete sie dann schon: „Welche Firma stellte den Ketchup in Werder her.“ Viele der Hoheiten a. D. erinnern sich besonders gern an ihre Begegnungen mit Prominenten. Grit Herrmann zum Beispiel plauderte in ihrer Amtszeit Frank Zander und tanzte mit Manfred Stolpe. Als Dank für ihre Thronzeit durfte sie eine Woche kostenlos einen Opel-Tigra fahren.
Vielleicht besser noch traf es Tanja Stage, die sich 2004 in ein Jury-Mitglied verliebte und mit ihm eine Familie gegründet hat. Auch für andere blieb die Amtszeit nicht folgenlos: Diana Pritschke, die 1995 amtierte und inzwischen Mathes heiß, sorgt seit zehn Jahren mit ihrem „Friseurteam Haarkonzept“ für das Styling der Blütenköniginnen. Und Doreen Jacobi, 1990 in Amt und Würden, wurde TV-Schauspielerin.
Einige der einstigen Königinnen waren bei der Ausstellungserföffnung dabei, auch die vier Bewerberinnen für die kommende Saison. „Durch die Ausstellung haben wir noch mehr Lust auf den Blütenthron bekommen“, schrieben „Sophie, Marie, Julia & Jessica“ danach ins Gästebuch.
Geöffnet zum Blütenfest (24. April bis 2. Mai) täglich 14-18 Uhr, an den Festwochenende 11-18 Uhr, danach bis 20. Juni an Sonntagen, Himmelfahrt und Pfingsten von 14 bis 18 Uhr, Altenkirch-Weg 1.
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