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Von Tobias Reichelt: Im Rathaus stinkt’s

Bei der Sanierung des Stahnsdorfer Gemeindezentrums wurde Teerpappe vergessen, sie dünstet jetzt aus

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Stahnsdorf - Es hämmert und dröhnt durch die Flure des Gemeindezentrums in der Annastraße. Quelle des Lärms ist ein Büro direkt neben dem Amtszimmer des Stahnsdorfer Bürgermeisters: Wo sonst der Personalrat tagt, wird gerade der Betonfußboden herausgeschlagen. Die Arbeiter tragen Schutzanzüge, Rauchen ist verboten. Mit Presslufthammer und Meißel sind die Männer auf der Suche nach der alten Teerpappe, einbetoniert in Böden und Decken.

Das Rathaus in Stahnsdorf ist von seiner Vergangenheit eingeholt worden: Die bei der Sanierung der früheren Kaserne vergessene alte Teerpappe vergammelt – das ist mit unangenehmen Gerüchen verbunden. Neun Büros des Gemeindezentrums sind betroffen, darunter ein Raum der Bibliothek. Die Zimmer müssen aufwendig saniert werden. Die Kosten sind erheblich und belaufen sich auf 225 000 Euro. Die Gesundheit der Rathausmitarbeiter sei aber nicht in Gefahr, hieß es auf PNN-Anfrage aus der Verwaltung. „Die Teerpappe ist belastet, sie dünstet aus“, erklärt Bauamtsleiterin Ute Börner. Bereits vor fünf Jahren hätten sich erste Verwaltungsmitarbeiter über den Geruch in einigen Räumen beschwert. Betroffen seien Zimmer an den Giebelseiten des Hauses – hier befanden sich einst die Sanitärräume der 1939 errichteten Kaserne.

Die Pappe sei eine Hinterlassenschaft der Vorbesitzer, entweder der Wehrmacht oder der russischen Armee. Die russischen Soldaten hatte den Kasernenblock nach dem Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht übernommen. Nach dem Mauerfall zogen die Soldaten aus. Das Haus stand lange Jahre leer, bis es für rund 3,5 Millionen Euro von privater Hand saniert wurde. 1999 übernahm die Gemeinde das Gebäude und richtete hier das neue Rathaus ein.

Offenbar wurde die Pappe bei der Sanierung übersehen. Bauamtsleiterin Börner spricht von einem „bautechnischen Fehler“. Die Frist, um Ansprüche bei der Firma, der Strabag AG, geltend zu machen, sei abgelaufen. Selbst wenn: Börner spricht Strabag keine Schuld zu. „Ich gehe davon aus, dass die auch nicht damit gerechnet haben“, sagt sie.

Selbst die Bauverwaltung habe eineinhalb Jahre gebraucht, um der Ursache des Geruchs auf den Grund zu kommen. „Wir dachten erst an den Teppich, danach untersuchten wir den Teppichkleber und so weiter. Wir sind bald irre geworden.“ Erst bei einer Kernbohrung entdeckte man die Pappe. Stück für Stück müssen die betroffenen Decken rausgerissen und erneuert werden.

Man habe Messungen durchgeführt, sagt Börner. Zwar seien „chemische Zusammensetzungen“ in der Raumluft gefunden worden, die da nicht hingehörten – gesundheitsschädlich seien diese aber nicht. Um welche Zusammensetzungen es sich handelt, sagt Börner nicht. Bis die Arbeiten abgeschlossen seien, könnten Jahre vergehen: Zwei Räume sind saniert, zwei sind in Arbeit, die anderen folgen, wenn der Haushalt der Gemeinde es zulasse. Bis dahin sollten betroffene Räume gut gelüftet werden. Im Rathaus bemüht man sich darum, die Arbeiten möglichst geräuschlos vonstatten gehen zu lassen: Künftige Eheleute sollen bei ihrer Trauung im Standesamt des Rathauses nicht von Baulärm gestört werden. Die Arbeitszeiten wurden den Trauterminen angepasst. Bibliotheksnutzer müssen mit Einschränkungen rechnen: Am Freitag, dem 26. März, bleibt die Bibliothek wegen der Arbeiten erstmals geschlossen.

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