Potsdam-Mittelmark: Im Unruhestand
Modellprojekt „Blickwechsel“ für ein selbstbestimmtes Leben im Alter
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Teltow - Routine durchbrechen, um Perspektiven zu erweitern – das verspricht der Titel des Modellprojektes „Blickwechsel“, zu dem die Akademie „2.Lebenshälfte“ am 10. Oktober einlädt. Zu der Auftaktveranstaltung im BlauArt-Tagungshaus Potsdam-Hermannswerder werden Unternehmen der Gesundheitswirtschaft erwartet, vor allem stationäre und ambulante Pflegedienste. Zugesagt haben bisher zehn Unternehmen des Landkreises, darunter auch Wohnungsgesellschaften, wie Ingrid Witzsche vom Förderverein der Akademie gestern bei einem Pressegespräch informierte.
„Da sich viele Ältere wünschen, möglichst lange auch bei Pflegebedürftigkeit selbstbestimmt im vertrauten Umfeld leben zu können, muss sich das in differenzierten Angeboten widerspiegeln“, will Witzsche für das von Land und EU geförderte Projekt viele potenzielle Partner werben. Gemeinsam soll mit „Blickwechsel“ ein Prozess in Gang gebracht werden, der die höchst unterschiedlichen Bedürfnisse der Älteren berücksichtigt. Das setzt allerdings voraus, dass man diese Bedürfnisse kennt. Witzsche hat dazu festgestellt, dass viele der heute 60- bis 70-Jährigen der Frage lieber ausweichen: Wie möchte ich alt werden?
Johannes Plümpe vom Berliner Insitut für Gerontologie und Bildung, der sich als Kooperationspartner am Projekt beteiligt, erläuterte, dass sich das Bild der Alten zunehmend wandle. So verschob sich die öffentliche Wahrnehmung vom Ruhestand im Alter zugunsten der aktiven Alten. Doch so homogen, wie die Werbung uns versuche einzureden, sei diese Gruppe der „neuen Alten“ gar nicht, sondern zeige sich facettenreich in vielen Lebensbereichen. Andere Lebensformen, beispielsweise die „Wahlfamilie“ in einer Wohngemeinschaft, würden zunehmend beliebter. Der neue „Unruhestand“ böte zudem Möglichkeiten, sich Dingen zuzuwenden, für die bisher keine Zeit blieb. Kurse wie Aquarellmalerei, die von der Akademie neben Fremdsprachen und Vorträgen angeboten werden, erfreuen sich regen Zuspruchs. Auch als Ehrenämtler in Kitas und Schulen sind Senioren gefragt, ebenso ihr Fachwissen in Firmen und nicht zuletzt sei es die gelassene Sicht auf Lebensdinge, die ebenso den Jungen im Alltag helfen könne.
Trotzdem würden Ältere oft entmündigt und Selbstverständlichkeiten als Zugeständnisse gewertet, wenn es beispielsweise darum gehe, dass sie eigene Möbel mit ins Pflegeheim nehmen dürfen. Ein Haltungswechsel sei notwendig, fordern die Initiatoren des Projektes und wollen zugleich anregen, öffentlich darüber nachzudenken, wie selbstbestimmt das Leben im Alter sein sollte. Das bedeute natürlich für die Pflegedienste eine Herausforderung, besonders da wirtschaftliche Fakten mehr und mehr in den Vordergrund treten, weil die Pflegeversicherung bereits viele Löcher aufweise. Tatsache sei auch, dass immer älter werdende Menschen zugleich mehr Zeit zur Pflege brauchen, ganz besonders treffe das für demente Menschen zu. Die medizinische Vollversorgung stünde längst auf dem Prüfstand, und wie diese Debatte ausgehe sei ungewiss. Trotzdem ist Ingrid Witzsche optimistisch, dass neue Angebote auch neue Arbeitsplätze zur Folge haben werden, ganz besonders für ältere Arbeitnehmer.
Mit spezieller Beratung und Weiterbildung will das Blickwechsel-Projekt diesen „Wandel in kleinen Schritten unterstützen“ und die Unternehmen dabei begleiten, moderne Pflegekonzepte umzusetzen. Kirsten Graulich
Weitere Infos bei der Akademie
unter Tel. (03328) 47 31 34
Kirsten Graulich
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