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Potsdam-Mittelmark: Im Wald der Innovationen

Neurowissenschaftler zeigen Kleinmachnower Schülern, warum Blüten und Bäume Vorbilder sind

Von Eva Schmid

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Kleinmachnow - Wer vordringt ins dichte Unterholz, entdeckt Erstaunliches: Eine schwarze Feder mit weißen Punkten, ein Stück Holz, das wie ein knorriger Stein aussieht, oder das faszinierende Muster, das Holzwürmer in einen Ast gefräst haben. Mit einem „wow“, „beautiful“ und „amazing“ quittieren die englischsprachigen Schüler der Kleinmachnower Internationalen Schule ihre Funde.

Zwei Neurowissenschaftler aus Berlin haben am Mittwoch mit den sieben- bis achtjährigen Kindern die Natur rund um den Schulcampus erforscht – der Auftakt zu einem sechswöchigen Projekt. Ihr Ziel: Von Ameisen, Bäumen, Blüten und Würmern lernen. Denn die Natur liefert erstaunliche Ideen, die zu Innovationen entwickelt werden können.

„Wir wollen den Kindern auch nachhaltiges Handeln vermitteln“, sagt Arndt Pechstein. Er ist gelernter Biochemiker und hat jahrelang als Neurowissenschaftler in der Grundlagenforschung gearbeitet. Irgendwann wurde ihm der Forscheralltag zu eng: „Wir denken viel zu sehr in Schubladen.“ Zusammen mit dem Neurowissenschaftler und Ingenieur Prateep Beed gründete Pechstein vor einem Jahr den Verein Biomimicry Germany. Am heutigen Donnerstag werden die beiden für ihre Engagement im Bildungsbereich von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ ausgezeichnet.

In den kommenden Wochen werden die Kleinmachnower Schüler in dem Projekt „NatuRaum“ erfahren, wie intelligent Bewegungen von Fliegenschwärmen ablaufen, sie werden entdecken, welche Baumaterialien die Natur bereithält und was man vom Wald lernen kann. „Statt wie wir Menschen Wasser aus Italien zu kaufen, nutzt die Natur lokale Ressourcen, alles andere wäre viel zu viel Energieaufwand“, erklärt Pechstein.

Das noch junge Forschungsfeld Biomimicry, mit dem sich die Wissenschaftler befassen, hat noch keinen deutsche Namen. „Man könnte es als eine Art Bioinspiration übersetzen“, sagt Pechstein. Es gehe darum, sich Produkte, Prozesse und Organisationsstrukturen von der Natur abzuschauen, sagt sein Kollege Prateep Beed. So könnte man im Fall einer Naturkatastrophe zum Beispiel von Ameisen lernen: Um einen Fluss zu überqueren, würden die Krabbler sich miteinander verknüpfen und nicht untergehen. „So überleben im Kollektiv, alleine würden sie das nie schaffen“, sagt Beed.

Den Forschern gehe es nicht darum, das Verhalten der Tiere und Natur zu kopieren, sondern daraus Strategien für Menschen zu entwickeln.

Der Neurowissenschaftler Beep zählt auf, wofür die Natur bereits Modell gestanden hat. Zum Beispiel funktioniert der Klettverschluss wie die Widerhaken einer Klette. Auch ganz profane Schwimmflossen ermöglichen es, wie ein Fisch durchs Wasser zu gleiten. Und bei Fassadenfarbe habe man sich zum Beispiel von der Lotusblüte inspirieren lassen. Von ihr perlt der Schmutz einfach ab.

Nicht nur mit Schülern, auch mit Unternehmern und Studenten des Hasso-Plattner-Instituts führen die Wissenschaftler Naturprojekte durch. Von Hirnzellen könne man lernen, wie Netzwerke gut strukturiert werden können, von Insektenschwärmen den Informationsfluss, den der basiere auf einfachsten Regeln.

Egal ob Grundschüler oder Manager – die Neurowissenschaftler gehen bei ihren Projekten fast immer gleich vor. „Als erstes geht es in den Wald“, sagt Beed. Mit verbundenen Augen stolpern die Teilnehmer über Äste und Laub, lassen sich dabei führen und müssen tasten, riechen, schmecken und hören. „Wir sind viel zu sehr visuell geprägt“, sagt der Wissenschaftler. Wird die Augenbinde abgenommen, fällt der Blick schneller auf die kleinen Besonderheiten der Natur, die hoch oben in den Baumwipfeln oder auf dem Waldboden schlummern. Eva Schmid

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