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Potsdam-Mittelmark: Im Zeichen von Zirkel und Winkelmaß
Spuren der Freimaurer auf dem Südwestkirchhof / Mit Historiker Jens Leder auf Entdeckungstour
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Stahnsdorf - Prunkvolle Grabmale, bewacht von Engeln aus Marmor oder Bronze – zwischen den Jahreszahlen auf den Grabsteinen verstecken sich Geschichten vergangener Menschenleben. Auf dem 206 Hektar großen Stahnsdorfer Südwestkirchhof wecken vor allem Führungen zu Prominentengräbern das Interesse von Besuchern, aber auf dem 206 Hektar großen Friedhof gibt es mehr zu entdecken. Manche künstlerische Zutat auf den Steinen offenbart jedoch nur Eingeweihten ihr Geheimnis. So scheinen Darstellungen von technischen Arbeitsgeräten wie Zirkel und Winkelmaß auf den ersten Blick nicht ungewöhnlich, wenn der Verstorbene zudem von Beruf Ingenieur war. Die Grabstelle von Max Butterlin, der 1959 im Alter von 82 Jahren starb und auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof beerdigt wurde, fällt auf den ersten Blick kaum auf. Des Ingenieurs Geheimnis kannten wohl nur seine nächsten Angehörigen und setzten ein Zeichen an seinem Grab: Zirkel und Winkelmaß als Symbol der Freimaurerei.
Der Historiker Jens Leder kann die rätselhaften Zeichen der Bruderschaft deuten. „Der Zirkel ist das Symbol für die Nächstenliebe“, erklärte er bei einer seiner Führungen über den Kirchhof, und das Winkelmaß stehe für Gerechtigkeit und gewissenhaftes Handeln. Freimaurer würden sich symbolisch als Stein verstehen, der anfangs noch rau sei und durch tätige Arbeit mit Hammer und Meißel in eine kubische Form gebracht werde, was im Sinne der Bruderschaft als Veredelung gelte. Ungewöhnlich sei aber vor allem ein Freimaurerbegräbnis zu DDR-Zeiten, meint Leder, da das Verbot der Freimaurerei durch die NS-Machthaber im Jahre 1935 von der DDR stillschweigend übernommen worden sei. Leder ist Mitglied der Interessengemeinschaft Historische Friedhöfe Berlin, die Führungen zu verschiedenen Themen veranstaltet, darunter auch Ruhestätten von Freimaurern. Deren Geschichte recherchierte Jens Leder in Archiven. Die Dokumente offenbarten, dass der Ingenieur Butterlin ab 1928 dem Freimaurer-Kränzchen „Zum Stern von Sanssouci“ angehörte, der Vorstufe einer Loge. Die wurde dann 1930 gegründet und gehörte als „Stern von Sanssouci“ zum Verband der Großen Loge von Preußen, die ihren Sitz in der Potsdamer Kiezstraße 10 hatte. Dort fand im Januar 1935 das letzte Stiftungsfest statt. Denn die weltoffenen Freimaurer waren den braunen Machthabern ein Dorn im Auge, auch weil sie jedes Dogma ablehnten. Von den Nazis als „Judenknechte“ beschimpft, wurde nach etlichen Schikanen im August 1935 die Auflösung aller Logen durchgesetzt.
Das Symbol der Freimaurer ist auch auf dem Grabstein des Berliner Seifenhändlers Albert Lösch (1848-1928) zu finden, der in Berlin über 100 Filialen betrieb. Zwei Säulen und eine Christusskulptur flankieren den Stein. Bemerkenswert ist die Grabstätte des Rechtsanwaltes und Schriftstellers Hugo Alexander Katz (1846 bis 1929), ein aus Eisenornamenten gestaltetes Gittertor. Der Anwalt gehörte der Berliner Loge „Victoria in Berlin“ an, die auch Mitglieder anderer Religionen aufnahm. Weitere Grabstätten ehemaliger Freimaurer sind dagegen fast zugewachsen.
Einer der berühmtesten Freimaurer, die auf dem Kirchhof ihre letzte Ruhestätte fanden ist der Maler Lovis Corinth (1858-1925). Auf seinen Bildern stellte er den Männerbund allerdings wenig geheimbündlerisch dar, vielmehr scheint es, als mache er sich über das Ritual eines geselligen Männervereins lustig. Corinth sei Zeremonienmeister der Loge „In Treue fest“, gewesen, weiß Leder und verweist auf das bekannte Porträt der Logenbrüder, deren seltsam entrückte Blicke im Kontrast zum üppigen Mahl stehen, dem sie sich gerade hingeben. Ironisch gemeint ist auch ein Selbstporträt des Künstlers mit Skelett. Der Historiker berichtet, dass zu Corinths Beerdigung auch eine freimaurerische Zeremonie stattfand: die Kettenbildung. Dabei fassen sich die Brüder am Grab des Verstorbenen an den Händen, um ihn so symbolisch aus der irdischen Kette zu entlassen. Anschließend werden drei Rosen in den Farben rot, weiß und rosa niedergelegt. Zur Trauergarderobe der Brüder gehören schwarzer Anzug, weiße Handschuhe, weiße Krawatte und schwarzer Zylinder. Befragt nach den Geheimnissen der Freimaurerei, muss Leder nicht lange überlegen. Er sei zwar Außenstehender, sagt er, aber „ich halte es für möglich, dass es vielleicht gar keine Geheimnisse gibt“.
Kirsten Graulich
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