KulTOUR: Im Zweifel zugunsten des Theaters!
Dem Michendorfer Ensemble Kleine Bühne wurde gekündigt. Der Spielbetrieb geht vorerst weiter
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Michendorf - Wenn manche Leute an Michendorfs Kleine Bühne denken, sind sie richtig verzweifelt. Nicht weil es den Mimen an Mumm und Einfallsreichtum mangelte, eher andersherum: Weil sie einfach keine Karten mehr bekommen. Für die politisch leicht entschärfte Erfolgsinszenierung „Bezahlt wird nicht!“ zum Beispiel, da alle Vorstellungen bis ultimo ausverkauft sind, das gab es im Land schon lange nicht mehr.
Freilich, hinter den Kulissen weiß man, dass es trotz Publikumsansturms und eines recht guten Leumunds derzeit an Sicherheiten mangelt. Die Spatzen pfeifen den Zank zwischen Ex-Prinzipal Siegfried Patzer und dem Theaterverein Kleine Bühne ja von den Dächern. Aus nicht ganz überschaubaren Gründen hat der erfolgreiche Regisseur und Theatergründer dem Verein samt Ensemble die Mitgliedschaft gekündigt, wie vor Jahresfrist die Zusammenarbeit mit dem Kulturbund Michendorf, dem eigentlichen Geburtshelfer der Truppe. Worum es hinter den ist Kulissen letztlich geht, ist selbst für Eingeweihte nebulös. Patzer jedenfalls hat einen neuen Verein gegründet, austrittswillige Bühnenmitglieder kamen beim „Lese- und Salon-Theater“ unter, das restliche Ensemble kämpft ums Dasein, denn aus den Einnahmen lässt sich die vom Siegfried Patzer geforderte Miete nicht aufbringen.
Anfang Januar könnte es deshalb für die Kleine Bühne und ihren Verein im Volkshaus finito sein, was nicht das Aus bedeuten muss. Theaterleute sind ja nicht nur extrem sensibel, sondern auch elastisch, was ihre Improvisationsgabe meint. Das ist ja auch ein Vermögen. „Im Zweifelsfall“, so sagte es mal ein bekannter Mann vom Fach, „immer zugunsten des Theaters!“ Das Inszenierungsteam um Christine Hofer jedenfalls tut, was es kann. Von der Berliner Schauspielschule „Ernst Busch“ kommend, legt sie trotz des kommunen Publikumsgeschmacks und kritischer Medienbegleitung größten Wert auf eine eigene Handschrift.
Das ist bei ihrer neuesten Produktion, Patrick Süskinds Erfolgsmonolog „Der Kontrabass“, nicht anders. Fast zufällig spiegelt er den Weg des Darstellers Michael Hecht wie den aktuellen Stand der Kleinen Bühne wieder. Der multiple, glänzend geschriebene Text erzählt von der Hassliebe eines namenlosen Kontrabassisten zu seinem unförmigen Instrument, zu der unerreichbaren Sopranistin Sarah und zu sich selbst, denn letztlich mangelt es jedem Menschen an Liebe und Anerkennung. Wenn sich dieser Musiker nun im Verlauf der Handlung dazu durchringt, aus der Sicherheit eines festangestellten Orchestermusikers auszuscheren, so hat das auch mit der Vita des Darstellers zu tun, auch er gab ein „festes Verhältnis“ zugunsten der Freiberuflichkeit auf.
Die etwa 70-siebzigminütige Vorstellung beginnt im Theaterfoyer wie eine Improvisation. Geplauder mit dem Publikum, enthusiastisches Lob dem Instrument, dazu Musikbeispiele aus dem Off. Dann gings auf der Bühne weiter, wobei die Regie engsten Publikumskontakt hält. Einmal durch die Entscheidung, aus dem Bühnenmonolog einen Dialog mit dem Publikum zu machen, zum anderen auch durch die Einbeziehung des Parketts als Spielraum. Der latente Biertrinker hatte aber auch überall Pullen versteckt! Zweite gute Entscheidung: Dieser Figur aus Lust und Frust nicht den Status eines Verlierers anzuheften, wie das oft inszeniert wird. So bleiben die Sujetstränge in der Balance, und Michael Hecht in der vorteilhaften Lage, mit aller Freiheit und Laune sein Bestes zu geben, was auch geschah.
Für den kleinen Effekt nebenbei hat die Regie eine Putze und ein Kind am Klavier dazugedichtet, sehr hübsch! Im Ganzen also eine betont spielerische und publikumswirksame Eigenproduktion. Ob sich das Ensemble im ungewissen Schicksal des Bassisten wiedergefunden haben mag? Oder gar in der Rolle seines Instruments? Im Zweifelsfall immer zugunsten des Theaters? Die Hofer-Truppe hält sich daran, sie probt derzeit an Yasmina Rezas „Der Gott des Gemetzels“. Die Premiere soll schon im Januar sein, nur auf welcher Bühne? Finito: Vielleicht hilft doch noch so ein armer Millionär aus der Patsche, weil doch Weihnachten ist und Wünsche frei sind. Gerold Paul
„Der Kontrabass“ heute und Sonntag um 19.30 Uhr, Montag um 17 Uhr.
Gerold Paul
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