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Star krank: Einer muss einspringen.

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KulTOUR: Immer neue Turbulenzen

Kleine Bühne Michendorf zeigt „Othello darf nicht platzen“ mit fast übermütiger Spiellaune

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Michendorf - Je schlechter die Zeiten, umso wichtiger das Lachen! An dieser rätselhaften Eigenschaft ist derzeit in Michendorf kein Mangel. Genauer in Siegfried Patzers Kleinen Bühne vor Ort. Nach „Pension Schöller“ und „Der Bockerer“ legte die künstlerisch deutlich gereifte Truppe eine weitere Inszenierung vor. Und was für eine: Schon der Titel „Othello darf nicht platzen“ erregt Aufmerksamkeit. Autor Ken Ludwig war sich nicht sicher, ob er sein Opus nun Komödie oder „Farce“ nennen sollte, letzteres steht, wie eine stille Regie-Anweisung, als Klammer in der Überschrift dabei.

Er nutzt ein altbewährtes Muster: Operndirektor Saunders (Klaus-Dieter Becker) wartet in einer Hotelsuite der Stadt Cleveland auf den italienischen Star-Tenor Tito Merelli, der in Verdis „Othello“ die Hauptpartie singen soll. „Lo Stupendo“ (der Wunderbare) kommt zwar, ist aber so indisponiert, dass er nicht singen mag. Nicht einmal seine temperamentvolle Gattin Maria (Karina Lehmann) vermag das zu ändern. Zum Entsetzen des ihm zugeteilten Referenten Max (Marcus H. Heinemann) liegt „der Größte“ kurz darauf im Doppelzimmer-Bühnenbild wie tot auf dem Bett.

Dieser turbulente Auftakt führt zu einer Reihe urkomischer Situationen, wie sie sich das Publikum, bei entsprechender Inszenierung, besser nicht wünschen könnte. Natürlich übernimmt Max den Gesangspart des überfressenen Tenors, und zwar so gut, dass ihn seine Freundin Maggie (Jessica Schwahn) auf der Bühne für Tito hält. Mit neuen Turbulenzen! Saunders hat jetzt nicht etwa keinen Othello, sondern plötzlich ihrer zwei!

Erfahrungen im komischen Genre konnte die semiprofessionelle Truppe bereits mit „Pension Schöller“ sammeln. Diese Inszenierung hier – zehn Vorhänge bei der Premiere – ist noch besser. Zu danken ist das der fast übermütigen Spiellaune wie der Schauspielerführung von Regisseur Patzer, der sich in solchen Genres ja bestens auskennt. Er braucht keine Zusatzgags, spielerisch weiß er die Komik aus Figuren und Szenen heraus zu entwickeln, bis in die Nebenrollen hinein!

Max schlüpft in den berühmten (aber nicht immer glaubhaften) Gestus von Heinz Erhardt, Maria gibt die temperamentvolle Neapolitanerin, Oliver de la Parra als ihr Gatte und Othello-Tenor hat Temperament aus seiner Heimat Chile mitgebracht. Auch die Nebenrollen (Ilka-Maria Pollock, Marlies Hanowski, Markus Thiel) sind in dieser temporeichen Farce mit Sorgfalt gebaut. Gesungen wird übrigens im perfekten Playback.

Wie beide Othellos dann von ihren Verehrerinnen in je einem Zimmer synchron „vernascht“ werden, ist einfach glänzend. Saunders freilich könnte etwas mehr Farbe vertragen. Sonst geht es in diesem luftig-heiterem Stück durch Türen und Schränke, Verwechslungen gibt es, romantische Seufzer. Und witzige Details: Wenn Saunders Max auf Knien bittet, doch den Othello zu singen, schiebt dieser ihm rasch ein Tuch unter die Knie, wenn es ins Bad geht, kommen den Darstellern ein paar Seifenblasen entgegen! So etwas lässt sich ohne ernsthaftes Herangehen an die Bühnenaufgaben niemals erreichen!

Beim Finale scheint alles wie zu Beginn, nur Maggie (von Tito wie die Suppenwürze ausgesprochen) ist vom Gesang des „italienischen“ Tenors noch beeindruckt. Max zeigt ihr dann in einer zu Herzen gehenden Romanze, dass er ihr Super-Tenor war. Hier durfte sogar etwas geschluchzt werden. Diese wundervolle Inszenierung ist (besonders in schlechten Zeiten) einfach zum Verlieben.

Vorstellungen 16. und 17. 12. um 19.30, am 18. 12. um 17 Uhr; dann wieder am 30. 12. und 31. 12., Potsdamer Str. 42.

Gerold Paul

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