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In die Ecke gedrängt: Vom Plantagenplatz muss das Trüppchen manchmal in die Umgebung ausweichen.

© hkx

Alkoholverbot: „In die Taschen gucken dürfen sie nicht“

Vier Jahre nach dem Alkoholverbot in Werder gibt es rund um den Plantagenplatz immer noch Probleme.

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Werder (Havel) - Ein Fahrzeug des Ordnungsamtes schleicht am Plantagenplatz vorbei. Das Trüppchen, das am Rand des Platzes steht, bemerkt es rechtzeitig: Die Flaschen verschwinden in Innentaschen und Discountertüten, die Bewegungsabläufe wirken trotz des Bierpegels routiniert. Das Auto fährt weiter. Vier Jahre nach dem Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen in Werder spielen sich solche Szenen regelmäßig ab. Manchmal steigen die städtischen Ordnungshüter aus, nehmen Personalien auf. „Wir kennen aber unsere Rechte“, erzählt ein massiger Glatzkopf, der Jüngste in der kleinen Runde. „In die Taschen gucken dürfen sie nicht, da brauchen sie die Polizei.“ Gelegentlich komme die allerdings dazu.

Wenn es zu bunt wird, ziehe man weiter, erzählt ein anderer: „Wir wollen keinen Ärger.“ Den gibt es trotzdem: Vom benachbarten Netto-Parkplatz wurden sie vom Wachschutz verjagt – wegen so einer Sache, mit der man gar nichts zu tun gehabt habe. Bleibt die Wiese am Treffpunkt nebenan, einer Begegnungsstätte des Diakonischen Werks. Sie wissen, dass man auch dort nicht erwünscht ist. „Aber wo sollen wir denn hin, wird doch überall gebaut.“

Statt eines Zaunes hat der Treffpunkt um sein Grundstück nur eine flache Hecke, die „Transparenz“ war mal gewünscht. Doch Treffpunkt-Chefin Christel Heise ist nicht begeistert von den Trinkgelagen vor der Haustür, selbst wenn die Clique nie laut oder aggressiv sei. „Unsere Besucher finden das unschön.“ Sie hat schon Bänke abmontieren und Schilder aufstellen lassen. Die Polizei hat sie noch nicht geholt. „Wenn ich gut drauf bin, gehe ich raus. Aber wo soll ich sie denn hinschicken?“

Ist das Alkoholverbot in Werder ein Erfolg? Es kristallisierte sich am Montagabend als Kernfrage einer Diskussionsrunde im Treffpunkt unter dem Stichwort „Brennpunkte in Werder“ heraus. Die Probleme am Plantagenplatz waren einst Auslöser für das Verbot: Man wollte keine Zecher am zentralen Bushalt, an dem es einen Spielplatz gibt und Schüler auf den Schulbus warten. „Das klappt mal besser und mal schlechter“, sagte Beigeordnete Manuela Saß. Richtig zu lösen sei das Problem nicht. Eher noch vom Treffpunkt als von der Stadt: „Sie sind doch eine karitative Einrichtung.“

Besser als dort kennt man die „Klientel“ in der Tee- und Wärmestube, die am Montag vertreten war. In der Einrichtung selbst herrscht striktes Alkoholverbot, aber man gebe sich keinen Illusionen hin, so Mitarbeiterin Ulrike Otto. Trinker im Stadtbild müsse man aushalten. „Wir sind ein freier Staat.“ Hilfe und Entzugsprogramme würden nur auf freiwilliger Basis funktionieren. „Dazu gehört Einsicht in die Sucht. Das ist der Knackpunkt.“

Das Grüppchen am Plantagenplatz sieht das gestern Mittag gelassener: „Wir wollen hier unser Bierchen trinken, warum ist das verboten?“, fragt einer. Der Glatzkopf betont, dass man keinen Dreck hinterlasse. „Wenn eine Flasche kaputt geht, machen wir das weg. Und wenn wir mal Schnaps trinken, gehen wir damit zum Glascontainer. Wo ist das Problem?“

Die Jugendlichen vor dem Anblick schützen? Darüber muss die Truppe, die keine Namen nennt, lachen. Einige der Schüler würden selbst trinken, Essensreste und Dönerpapier verteilen. Ein Älterer erzählt, dass er unlängst Jugendliche auf der Nachbarbank gebeten habe, ein Lagerfeuer auszumachen. „Das sind wir doch sonst wieder gewesen.“

Zu einer Idee aus dem Treffpunkt gibt es unterschiedliche Meinungen: Einen Ort schaffen, wo das öffentliche Trinken geduldet ist. „Hatten wir schon mal an der Föhse, aber dann haben sie dort angefangen zu bauen“, sagt der Glatzkopf. Einer meint, schon mal im Fernsehen etwas davon gehört zu haben. Ein älterer Lagerarbeiter mit entzündeten Augen erzählt, dass er seit fünf Jahren arbeitslos ist. „Wir sitzen hier, weil wir keine Arbeit haben, darum geht es.“ Die meisten hier haben sich im Jobcenter kennen gelernt.

Werders frühere Sozialamtsleiterin Gudrun Zander sagt Montagabend im Treffpunkt: „Es gibt nicht auf alle Fragen eine Antwort.“

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