KulTOUR: In einem ganz anderen Licht
Schuch und Hagemeister in der Malerkolonie
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Schwielowsee - Wenn in der Bibel das „Wuchern“ mit Pfunden empfohlen wird, so bestimmt nicht ein gewinnbringender Handel mit Geld oder corporalischem Fett. Nein, mit Besserem. Ein „Wucher“ solch gehobener Art ist jetzt in Ferch zu erleben. Zum 700. Jahrestag der Besiedlung des Schwielowsees zeigt das Museum der Havelländischen Malerkolonie, wie es vor gut 150 Jahren in eigener Sache begann.
Natürlich hat der getreue Museumsgänger dabei zuerst die zeitweilige Freundschaft zwischen Karl Hagemeister und Carl Schuch ab 1877 vor Augen, den ersten Maler-Pionieren vor Ort. Sie zerbrach, weil Schuch an seiner „Tonigkeit“ festhielt, indes Hagemeister am Schwielowsee eines „anderen Lichtes“ gewahr wurde. Heute nennen systemverliebte Akademien diese Malweise hochtrabend „gemäßigter Impressionismus deutscher Prägung“.
Trotz künstlerischer Differenzen teilen sich Schuch und Hagemeister den großen Ausstellungsraum, wobei man neben bekannten Bildern wie „Weißer Mohn“ oder „Blick über den Schwielowsee nach Geltow“ auch bisher nicht gezeigte Bilder von Hagemeister zu sehen bekommt. Es lässt sich hier gut vergleichen, was der prachtvoll gestaltete Ausstellungsflyer mit Schuchs Tonigkeit und Hagemeisters „ewig wechselndem Licht“ am See wirklich meint. Wie Prunkstücke hängen ihre Bilder beieinander. Der kleine Raum nebenan zeigt Arbeiten von Carl Goebel, Arthur Borghard, Theodor Schinkel, Carl Kayser-Eichberg und anderen, ebenfalls Motive aus oder rund um Ferch. Gemalt wurde damals meinst in Öl. Besonders reizvoll an dieser Ausstellung ist, dass der geneigte Besucher viele der gemalten Motive, etwa „Die rote Scheune“ oder manch aufgehübschte Kate oder Ortsansicht, noch immer finden kann. Das macht den Bildvergleich besonders reizvoll: Wozu gibt es schließlich den Fercher Kunstpfad! Eine zusätzliche Dimension zur Jubiläums-Schau, auf die unbedingt hingewiesen werden sollte! Die Pastellkünste dieser ersten Maler-Kolonisten sind aus konservierungstechnischen Gründen im Obergeschoss des Reedhauses untergebracht. Kleinode! Von Hans-Otto Gehrke ein Sommer- und ein Winterbild von Ferch, dazu eine Ansicht aus des Künstlers eigenem Garten. Allgewaltig Karl Hagemeister auch hier, mit „Am Wasser“ von 1894.
Das Wuchern im Geist mit dem Geist jener Zeit hat sich unbedingt gelohnt, wieder ist dem Museum eine richtig gute und empfehlenswerte Sache gelungen. Man kann innen und außen, früher und heute miteinander vergleichen, oder all dieses Bildwerk einfach nur auf sich wirken lassen, dann wird man schon sehen, was einem passiert. „Historie“ ist ja sowieso immer dabei, ob nun jubilierend oder nicht. Den Wurzeln nachzugehen ist ja immer sehr wichtig, nicht nur bei dieser Malerkolonie, die nie eine war oder wurde, obwohl das Team um Kustorin Jelena Jamaikina inzwischen sage und schreibe 160 Pinselführer am Schwielowsee ausgemacht hat! Da steht dem Verein noch sehr viel Zukunft vor der Tür. In einem anderen Lichte als gestern! Gerold Paul
Havelländische Malerkolonie, Beelitzer Straße 1, Schwielowsee. Geöffnet bis 16. Juli, Mittwoch bis Sonntag 11 bis 17 Uhr
Gerold Paul
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