Potsdam-Mittelmark: In Rotten durch die Gärten
In Kleinmachnow ziehen die Wildschweine durch die Gärten und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Es ist eine Plage wie 2010
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Kleinmachnow - Als ob eine Bombe eingeschlagen hätte. Der Garten von Familie Schantz in Kleinmachnow sah am 25. Juni nicht mehr wie ein Garten aus. „Am nächsten Tag wollten wir eigentlich den 70. Geburtstag meiner Frau feiern“, sagt Manfred Schantz. „Die Gäste haben uns dann zugeschaut, wie wir alles wieder in Ordnung gebracht haben.“
Manfred Schantz hat ein Video gedreht, das das gesamte Ausmaß der Verwüstung zeigt. Auf den Bildern ist zu erkennen, dass die Schweine mit chirurgischer Präzision wühlten, vor allem dort, wo Blumenzwiebeln gepflanzt waren. Manfred Schantz ist froh, dass ihm immerhin noch die Kartoffeln blieben.
Familie Schantz hat schon häufig Besuch vom Borstenvieh aus dem nahen Wald gehabt. Bereits vor fünf Jahren, erinnert sich Manfred Schantz, musste sich die Nachbarschaft gegen den Einmarsch der Rotten wappnen, die Blumen- und Gemüsebeete durchpflügten. „Damals war es ganz schlimm“, so Schantz. „Wir haben uns extra ein Wildschweinverbrämungsmittel bestellt.“ 30 Euro für fünf Liter, so Schantz. Das Granulat enthalte Stresshormone und wirke wie eine unüberwindbare Barriere. Gemeinsam mit Nachbarn bestreute Schantz die Gehwege und bildete eine Stresshormongrenze um die Grundstücke. „Ob das daran lag, weiß ich nicht“, sagt Schantz, „aber danach war Ruhe.“
In der Gemeinde ist das Problem längst bekannt. „Genau wie 2010 haben wir ein massives Problem damit“, bestätigte Rathaussprecherin Martina Bellack gegenüber den PNN. Warum es gerade jetzt wieder so viele Wildschweine gibt, können auch Experten nur vermuten. „Ursachen werden in Fachkreisen diskutiert“, sagt der für Kleinmachnow zuständige Jagdpächter Peter Hemmerden. Als mögliche Ursachen seien Klimaerwärmung, der milde Winter und auch der flächendeckende Maisanbau im Gespräch.
Problematisch sei für den Jäger die Ortslage, da er innerhalb dieser nicht einfach so schießen darf. Ausnahmegenehmigungen seien zwar möglich, sagt Bellack. „Doch dann müssten sehr viele Bedingungen stimmen.“ Der Jäger dürfe nicht waagerecht schießen oder in der Nähe von Gewässern, da die Projektile vom Wasser abprallen könnten. „Der Jäger kann, wenn überhaupt, nur von oben nach unten schießen“, so Bellack. „Das Risiko für Personen- oder Sachschäden wäre zu hoch und steht in keinem Verhältnis zu einem erlegten Stück Schwarzwild“, bestätigt Jäger Hemmerden.
Elke Schantz ist froh, noch keinem Wildschwein begegnet zu sein. „Da hat man schon ein wenig Respekt, denn man weiß ja nicht, wie die reagieren.“ Ihr Mann hat offenbar weniger Angst. Um die Tiere beim nächsten Wühlangriff zu vertreiben, hält er zwei Kanthölzer bereit, die er aneinanderschlägt. „Das hört sich an wie ein Gewehrschuss“, sagt er. „Damit kann man ihnen schon einen ordentlichen Schreck einjagen.“
Die Gemeinde rät eher zur Vorsicht. „Wenn sich Wildschweine ankündigen und die typischen Geräusche zu hören sind, dann sollte man sich ganz langsam zurückziehen“, so Rathaussprecherin Bellack. „Hunde müssen auf jeden Fall an die Leine.“ In Kleinmachnow gilt auf Grünanlagen, Spielplätzen und im Wald Leinenpflicht.
Jetzt werden die im Gemeindegebiet vorhandenen Regenwasserbecken, unter anderem im Tschaikowskiweg, Stein- und Reiterweg vom Bewuchs freigelegt. „Da verstecken sich die Wildschweine gerne“, so Bellack. Ob sie das zurück in den Wald treibt, ist offen. Laut Rathaus ist die Population der Tiere so groß wie lange nicht mehr. Bellack: „Die Jagdpächter erlegen derzeit eine Menge.“
Im Garten von Manfred Schantz ist vom letzten Wildschweinüberfall nichts mehr zu sehen. „Ich bin gespannt, wo im nächsten Frühjahr überall Blumen sprießen werden“, sagt der ehemalige Lehrer. Die Schweine seien unfreiwillige Gärtner, da sie nicht alle Blumenzwiebeln erwischt und einige neu verteilt hätten. Eine zusätzliche Absicherung gegen die Rotten will er nicht vornehmen. „Unser Grundstück grenzt an fünf Nachbarn, man müsste überall an den Hecken Zäune ziehen“, sagt Schantz. Das sei zu aufwendig. „Außerdem würde das meinen Garten verkleinern, das will ich nicht.“
Mit ein wenig Vorsicht könne den Wildschweinen der Zutritt zu den Gärten immerhin erschwert werden, so Schantz. „Ich hatte damals einen Brief an die Nachbarn geschrieben mit Hinweisen, worauf sie achten sollten“, sagt er. „Man muss eigentlich nur zusehen, dass die Pforten und Tore geschlossen sind und auch die Komposthaufen sollten gesichert sein.“
Die Gemeinde gibt seit Bekanntwerden der erneuten Wildschweinplage in den Schaukästen Tipps . „Es ist ratsam, die gelben Säcke nicht bereits am Abend oder Nachmittag rauszustellen, wenn sie erst am nächsten Tag abgeholt werden“, sagt Martina Bellack. „Das ist für die Wildschweine wie ein gedeckter Tisch.“
Die Einwohner sollen außerdem darauf achten, ihre Gärten und Grundstücke zu sichern. „Für Schäden, die durch Wildschweine im Garten entstanden sind, kommt der Besitzer auf.“ Die Tiere zu füttern sei verboten. In Kleinmachnow werden die Grünstreifen künftig nicht mehr mit Blumen bepflanzt, um die Schweine fernzuhalten. Auch würden, soweit es ginge, Gemeindegrundstücke gesichert.
Manfred Schantz will demnächst seinen unterwanderten Gartenzaun wieder flicken. Bald muss er sowieso wieder etwas mehr im Garten tun, denn es ist Pflanzsaison.
Björn Stelley
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