Brandenburger Obstbau-Tradition: In Werder wird wieder geschuffelt
Der Werderaner Obstbauverein legt historische Etagengärten auf Lindowschem Anwesen an. Auch ein Weinlokal mit Pension ist geplant.
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Werder (Havel) - Sie nennt sich „Schuffel“ und ist bis heute in vielen Werderaner Hausgärten zu finden. Die Stoßhacke, mit der schon im 19. Jahrhundert der Sandboden von Unkräutern befreit wurde, hat einem historischen Werderaner Gartentyp seinen Namen gegeben. Jetzt werden neue „Schuffelgärten“ auf dem Lindowschen Anwesen angelegt. Mit Baggern wurden die Grundstücke hinter dem Hof freigeschoben. Spielt das Wetter mit, sollen demnächst Obstbäume und Sträucher gepflanzt werden, sagt der Vorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins, Walter Kassin. „An sich wollten wir längst so weit sein. Dass der März so kalt und verschneit wird, konnte niemand wissen.“
Die Idee ist Teil eines Konzeptes zur Wiederbelebung eines der ältesten innerstädtischen Obstbauerngehöfte. Eines der zuwendungsbedürftigen Lindowschen Hofgebäude soll zu einem Weinlokal mit Pension werden. Auf dem Hang hinauf zur Bismarckhöhe ist ein neuer Weinberg im Entstehen. Zwischen Weinberg und Lokal soll daran erinnert werden, wie schon die alten Werderschen in ihren Schuffelgärten den kargen Böden schmackhaftes Obst und Gemüse abtrotzten. Walter Kassin kann sich noch aus eigenem Erleben daran erinnern.
Die Familie hatte am Finkenberg einen Hausgarten. Seine Urgroßmutter legte ihn in mehreren Etagen an: Die obere Etage bildeten hochstämmige Obstbäume wie Apfel, Birne, Süßkirsche. In der Mitte wuchsen niederstämmige Obstgehölze wie Pflaumen, Sauerkirschen oder Pfirsiche. Dazwischen gab es Johannis- und Stachelbeersträucher oder Himbeeren. Ganz unten war noch für Erdbeeren, Spargel oder Tulpen Platz. „Es wurde kein Quadratmeter verschwendet“, so Kassin gegenüber den PNN.
Komposterde im heutigen Sinne gab es nicht, unter neuen Beetreihen wurde Mist eingegraben. Im weißen Sand dazwischen wurde das Unkraut dann mit der Schuffel freigelegt. Fontane hat den Effekt in seinen „Wanderungen“, Station Werder, so beschrieben: „Keine Spur von Unkraut; alles rein geharkt; der weiße Sand des Bodens liegt oben auf.“
Seine Urgroßmutter habe noch mit 94 Jahren geschuffelt, sagt Walter Kassin. Jetzt sollen es die Pächter der neuen Schuffelgärten versuchen. Der Obstbauverein hat das Gelände von der Stadt gepachtet, wird es nach historischem Vorbild gestalten und dann unterverpachten. Für drei der vier Parzellen gibt es Interessenten, so Kassin. Jeweils 200 Quadratmeter der rund 700 Quadratmeter großen Grundstücke sind den Etagengärten vorbehalten. Dahinter können die Pächter ihr Gelände individuell gestalten. Möglicherweise werde der vierte Garten vollständig zum „Schuffelgarten“, verrät Kassin. Wenn die Pläne in Kooperation mit einer Werderaner Schule aufgehen, würde man diesen Garten nicht nur über den Gartenzaun hinweg bestaunen können. Die Verhandlungen darüber laufen aber noch.
Die Idee, Werders Innenstadt und die Bismarckhöhe mit einem grünen Band zu verknüpfen, ist nicht neu. Als sich die Stadt vergeblich um die Ausrichtung der Landesgartenschau im Jahr 2009 beworben hatte, gab es ein Konzept dafür. Das zwei Hektar große, Lindowsche Anwesen wurde eigens dazu von der Stadt gekauft. Jetzt wird ein Teil der alten Pläne umgesetzt – ohne Laga. Kassin ist dankbar für diese Chance, den städtischen Obst- und Weinbau noch besser zu vermarkten und Gästen die gärtnerische Stadtgeschichte näherzubringen. „Andere Bürgermeister hätten so eine innerstädtische Brache zu Bauland gemacht.“
Das es nicht so gekommen ist, freut auch Werders größten Weinbauern Manfred Lindicke: Schon im Herbst 2011 hat er begonnen, den Hang hinauf zur Bismarckhöhe, den Galgenberg, aufzureben. 2000 Rebstöcke stehen schon, in diesem Jahr sollen noch mal 4000 dazukommen. Partner des Projekts ist der „Verein zur Förderung des historischen Weinbaus im Raum Werder (Havel)“ und eine Genossenschaft von Weinfreunden. Auf dem Galgenberg soll schon im Mittelalter Wein angebaut worden sein.
Dritter Baustein des städtischen Projektes ist der Lindowsche Hof, den der Phöbener Winzer und Inhaber einer Cateringfirma, Jens-Uwe Poel, pachten möchte. Die Verhandlungen mit der Stadt stehen unmittelbar vor dem Abschluss, so Poel gestern auf Anfrage. Er rechnet damit, noch im April einen Bauantrag für einen ersten Bauabschnitt stellen zu können. Geplant ist ein Weinlokal mit 60 Plätzen, eine Pension mit bis zu 20 Zimmern, ein Wohnhaus und eine Vinothek mit regionalen Weinen, deren Qualität und Zahl stetig wächst. Poel würde sich freuen, wenn auch Werders Touristeninformation und das Obstbaumuseum sich hier ansiedeln. Nach Auskunft des Rathauses ist das nicht auszuschließen.
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