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Potsdam-Mittelmark: Ins Mark getroffen

Tiefe Betroffenheit nach Kirchenvandalismus in Caputh / Veranstaltung am Donnerstag im Gemeindehaus

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Schwielowsee · Caputh - Gibt es ein Wertebewusstsein in der Gesellschaft? Wissen wir noch, woher wir kommen? Kümmern wir uns darum, was anderen heilig ist? Wo sind die Maßstäbe dafür, was man tut und was man nicht tut? Die Pressekonferenz gestern im Kirchengemeindehaus Caputh blieb voller unbeantworteter Fragen. Die Kirchengemeinde ist ins Mark getroffen: Nach dem Erntedankgottesdienst am 1. Oktober wurde die Stüler-Kirche, mitten in Caputh, in einer Art und Weise geschändet, die niemand für möglich gehalten hätte. Der Superintendent des Kirchenkreises Potsdam, Bertram Althausen, nannte es gestern „einen Seismographen für die gesellschaftliche Situation“.

Die schön hergerichtete Erntedanktafel mit Lebensmittelspenden für die Potsdamer Tafel war nicht wiederzuerkennen, das Essen verzehrt, in der Kirche und im Kirchpark verstreut. Die in einen schweren Holztisch eingelassene Spendenkasse war aufgebrochen und geplündert, an einer historischen Lampe unter der Empore die kostbare Glasglocke zerschlagen. Auf einer mit einem Kissen abgedeckten Kirchenbank wurden menschliche Exkremente gefunden. In den Gipsabdruck der Taufschale – das Original wird nur zu Taufen hervorgeholt – wurde uriniert.

Die Tat ereignete sich laut Gemeindepfarrer Hans-Georg Baaske offenbar am 2. Oktober: Die Kirche war an diesem Brückentag geöffnet, wie sie auch sonst an Wochenenden zu besichtigen ist. Die Täter wurden schnell bekannt: Sechs Kinder und Jugendliche aus der Umgebung, gegen die die Kripo jetzt wegen „Störung der Religionsausübung“ ermittelt. Nach Gesprächen mit der Kirche hatten sich drei der Täter mit ihren Eltern selbst angezeigt. Am 10. November erstattete auch die Kirchengemeinde Anzeige gegen fünf Täter, man strebt einen Täter-Opfer-Ausgleich an.

Nach Gesprächen mit der Kirchenleitung, dem Gemeindekirchenrat und der Kommune wurde Sonntagnachmittag die Kirchengemeinde über die Tat informiert. Und auch das Gespräch zu den Tätern wurde gesucht: „Erschreckend wurde deutlich, dass diese Jugendlichen weder etwas mit der Potsdamer Tafel anfangen können, noch dass sie jemanden kennen, der hier in Caputh seinen Glauben auch in unserem Kirchengebäude lebt“, so Pfarrer Baaske. Sie seien noch nie in einem Gottesdienst gewesen und wüssten nichts über die Bedeutung des Sakraments der Taufe für den christlichen Glauben und eines Kirchengebäudes. „Da wurde uns erstmal die ganze Tragweite der Tat bewusst“, so Baaske.

Lange hat der Pfarrer gerungen, wie man mit der Tat umgehen soll. Er will die Kirchengemeinde nicht allein als Opfer sehen, sondern als Teil einer Gesellschaft, die hier gefordert ist. Mit Ortsbürgermeister Holger Teichmann, dem Kirchenältesten Burkhart Franck und Superintendent Althausen ist sich Baaske einig, dass es nicht ausreicht, für eine kleine Weile betroffen zu sein. „Unsere Kirchengemeinde will mithelfen, neu und grundsätzlich darüber nachzudenken, welche Werte in unserer Gesellschaft gelten sollen“, sagte Baaske.

So viel steht fest: Die Caputher Kirche soll auch nach dieser Tat eine offene Kirche bleiben und ihre Wirkung auf die Besucher entfalten können. Und die jungen Täter sollen nicht gebrandmarkt werden. „Wir wollen ihnen nicht die Chance absprechen, etwas aus dieser Tat zu lernen. Und wir möchten dazu auch die Erwachsenen mit ins Boot holen“, so Superintendent Althausen.

Die Kirchengemeinde lädt deshalb „alle Menschen guten Willens“ zu einem „Caputher Gemeindegespräch“ am kommenden Donnerstag, 23. November, um 19.30 Uhr ins Gemeindehaus (Lindenstraße 39) ein – auf der gemeinsamen Suche nach Antworten auf viele, offene Fragen.

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