zum Hauptinhalt
An Schrecken verloren. Zum Jubiläum kamen auch die Räuber zurück.

© K. Graulich

Potsdam-Mittelmark: Insel der Glückseligen

Töplitz feierte 700. Jubiläum und erinnerte an die Geschichte des Ortes, die einst Raubritter prägten

Stand:

Töplitz – Als brutale und brandschatzende Räuber gingen die Rochows und Quitzows einst in die Töplitzer Geschichtsbücher ein. Im Dorf stahlen sie Pferde, Schweine, Schafe und Rinder oder lauerten ganzen Handelsschiffen auf, die vor Töplitz die Havel passierten.

Am Samstag, viele Hundert Jahre später, schien der Anblick der Räuber in Kettenhemd und Eisenhelm längst nicht mehr so schrecklich. Das lag vielleicht auch an den sommerlichen Temperaturen, die Publikum und Darsteller gleichermaßen ins Schwitzen brachten. Mit „lebendigen Bildern“ erinnerten die Töplitzer an das 700. Jubiläum ihres Ortes. Viele hatten sich dazu in Kostüme gekleidet, um die Historie für zahlreiche Dauer- und Feriengäste darzustellen.

Die Gäste schätzen und preisen Töplitz heutzutage oftmals als „Insel der Glückseligen“. Denn baden, Boot fahren, radeln, reiten, Minigolf und noch viele andere Möglichkeiten werden in unmittelbarer Nähe von Potsdam und Berlin geboten. Doch das war nicht immer so.

Erstmals erwähnt wurde Töplitz im Jahr 1313 als „Kaland auf der Heide“, eine Bruderschaft von Priestern. Der fruchtbare Boden hatte zuvor auch Siedler angezogen. Sie schätzten die Lage am Wasser. Seit 1328 gehörte die Insel zum Besitz des Klosters Lehnin und die Vorzeichen wendeten sich, denn die Raubritter Rochow und Quitzow lagen mit den Mönchen im Clinch.

Überfälle auf den Klosterhof vermeldet die Chronik für die Jahre 1405 und 1408. „Mit Raub und Brand“, so schrieb Abt Heinrich Stich in seinen Erinnerungen, fiel die Truppe von Hans von Quitzow kurz vor Weihnachten in das kleine Dorf ein. Am gegenüberliegenden Ufer auf dem Phöbener „Räuberberg“ residierten die Rochows und lauerten Handelsschiffen auf, die die Havel passierten. Erst als 1411 der Nürnberger Burggraf Friedrich VI. zum Landeshauptmann über die Mark Brandenburg ernannt wurde, waren Plünderungen nicht mehr zu befürchten. Auch das Kloster mit seinem Hof Töplitz stand lange unter seinem Schutz.

Auf der Bühne des Dorfplatzes marschieren derweil die Schweden ein, die das Dorf am 29.Mai 1675 plünderten und sogar die Altarbekleidung aus der Kirche stahlen. Neun Jahre später bat der Große Kurfürst die „Löbliche Republik zu Bern“, einige in Viehzucht erfahrene Familien auswandern zu lassen, um das verödete Land aus der Armut herauszuführen. Sechs Schweizer Familien waren dem Ruf gefolgt und gründeten das Dorf Neu Töplitz. Ihre Höfe entwickelten sich zu Musterwirtschaften und einige ihrer Nachfahren leben noch heute im Ort. Mit der ersten Ziegelei, die 1864 an der Südspitze der Insel gegründet wird, beginnt ein neues Kapitel der Inselgeschichte, die bis zu dieser Zeit von Landwirtschaft, Obstbau und Fischerei geprägt war. Als die Arbeiter dauerhaft sesshaft wurden, stellten aber auch sie nach dem Ende der Ziegeleien wieder auf Obstbau um.

Angesichts der Geschichte erscheint die Versorgung für die rund 2000 Einwohner des Ortes heute fast paradiesisch. Neben Fleischer, Bäcker und Friseur gibt es auch den Inselmarkt, ein Lebensmittelgeschäft, das von der Familie Haagen in fünfter Generation geführt wird. Nur wenige Meter weiter liegt der Töplitzer Einkaufsmarkt. Der Einkochtopf im Schaufenster ist nur eines von vielen technischen Geräten im Angebot des Marktes, der über 200 000 Artikel führt. „Sie kriegen hier alles von der Nähmaschine bis zur Schraube“, erzählt eine Töplitzerin. Bei so viel Service müssten die Einwohner doch richtig glücklich sein? Der Nachfrage folgt ein Kopfwiegen: „In den vergangenen Jahren sind viele zugezogen, es wird bald zu eng hier.“

Doch von neuen Nachbarn können auch die Töplitzer profitieren: So haben zwei Berliner Paare die Insel erwählt, um die Tradition der Zisterziensermönche fortzusetzen, die einst vor 600 Jahren den Weinanbau auf die Insel brachten. Das Weingut Klosterhof Töplitz ist heute das einzige zertifizierte Bio-Weingut in Brandenburg. Auch beim Dorfjubiläum waren die Winzer mit einem Stand dabei und ließen Besucher vom roten Regent, Bacchus und Riesling kosten.

Kirsten Graulich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })