Potsdam-Mittelmark: Insel sucht Investor
Durch die Umbauarbeiten an der Nutheschnellstraße wurde das denkmalgeschützte Sanatorium in Kienwerder aus dem Dickicht geschält. So vom Verkehr umbraust soll es verkauft werden
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Stahnsdorf - Keine Palmen, kein weißer Sand und auch keine Ruhe. Die Insel, auf der das frühere Sanatorium im Stahnsdorfer Ortsteil Kienwerder steht, ist alles andere als ein gemütliches Fleckchen. Wenige Meter von den einstigen Liege- und Erholungsplätzen der Patienten im Kiefernwald entfernt donnern heute Lkw und Autos über eine neu gebaute Schnellstraße nach Potsdam. Raupen und Bagger schieben sich durch den Sand, frischer Asphalt wird verlegt, der frühere Ort der Erholung und Genesung wird von den Straßenbauern eingekreist.
Doch mitten im Ohr der Schnellstraßen-Auf- und Abfahrten, der Ampeln, Brücken und Kreisverkehre, drückt Petra Reinholz ihren Rücken durch und stemmt die Arme in die Hüfte. „So einen Standort kriegen Sie nie wieder“, sagt die Immobilienmaklerin im schwarz-weiß gestreiften Sommerkleid und blickt kess durch ihre schwarz-weiß gestreifte Brille. Wir sind optimistisch. Das sagt ihr Blick. Das sagen ihre Worte.
Knapp 20 Jahre,nachdem die letzten Patienten die Klinik verlassen haben, wird noch immer ein neuer Besitzer für das baufällige Denkmal am Stahnsdorfer Ortseingang gesucht. Die Maklerin Petra Reinholz und ihr Kollege Karl-Erwin Albrecht haben sich der Aufgabe gestellt, das Haus samt 30 000 Quadratmeter Grundstück in den kommenden drei Jahren zu verkaufen. Mehr Zeit bleibt nicht.
Noch drei Winter, mehr werde das zum Teil einsturzgefährdete Haus nicht überstehen, sagt Immobilienexperte Albrecht. Leerstand, Ruinentourismus und Vandalismus haben der früheren Lungen- und späteren Hautklinik zugesetzt. Metalldiebe haben Blech vom Dach gestohlen. Ein Loch klafft über der Empore mit dem geschwungenen Treppenaufgang. Ungehindert kann der Regen bis ins Erdgeschoss fließen. Der Boden knarzt, der Putz hält sich mit letzter Kraft an Wänden und Zimmerdecken. Dort, wo er aufgegeben hat, hängt brüchiges Stroh herab. Ein Obdachloser hatte sich zuletzt unter dem Dach ein Bett gesichert. Nur ein Stillleben aus leeren Schnappsflaschen ist von ihm geblieben.
Zwischen 1912 und 1914 wurde die Lungenklinik als Elisabeth-Sanatorium von einem jüdischen Ehepaar im Wald errichtet. Nach Machtantritt des NS-Regimes musste das Paar aus Deutschland fliehen, 1941 wurde die Familie enteignet. Die noch lebenden Angehörigen in den USA wollen ihren Namen heute nicht mehr in der Zeitung lesen.
Selbst nach dem Ende der Nazidiktatur wurde das Anwesen nicht an sie zurückgegeben, sondern erst von den Sowjets übernommen. Ab 1952 diente das dreistöckige Haus mit den großzügigen Terassen und den zahlreichen Verandas und Wintergärten als Heilstätte für Haut- und Lymphdrüsentuberkulose.
25 Schwestern und ein Dutzend Ärzte sorgten sich um die Patienten, für die im Hauptgebäude bis zu 90 Betten zur Verfügung standen. Ein Nebengebäude diente als Wirtschaftshaus, auch das ist noch erhalten, steht aber nicht unter Denkmalschutz. Weil die Liegehallen später nicht mehr benötigt wurden, nutzte sie der letzte Chefarzt im Haus, Gerhard Bohnenstengel, um dort Heu für seine Pferde zu lagern. Nach dem Mauerfall, zog die Hautklinik 1994 in das Stammhaus des Klinikums „Ernst von Bergmann“ um.
Erst dann ging der Besitz an die eigentlichen Eigentümer zurück. Seit 2005 stehen Gebäude und Park unter Denkmalschutz. Das mache die Investorensuche nicht einfacher, sagt Maklerin Reinholz. Eine Wohnnutzung ist ausgeschlossen, denn lärmdichte Fenster entsprechen nicht den Anforderungen der Denkmalbehörde. Und es gibt noch weitere Beschränkungen: Der Flächennutzungsplan sieht nur die Nutzung als Hotel oder für medizinisch, pflegerische oder kulturelle Zwecke vor. Wer hier mit anderen Absichten investieren will, muss also viel Geduld für Behördengänge mitbringen. Und Geld.
Etwa sechs bis zehn Millionen Euro, so schätzt Albrecht, müssten investiert werden. Denn um das Areal wirtschaftlich betreiben zu können, werde man auch um den Bau eines neuen Nebengebäudes anstelle des alten Wirtschaftsgebäudes nicht drumherum kommen.
„Es ist nicht einfach“, sagt Maklerin Reinholz, während sie über die putzbekrümelten Flurdielen stöckelt. Aber erste Gespräche gebe es, ruft sie über die Schulter. Die seien allerdings in so einem frühen Stadium, dass man nicht darüber sprechen wolle. „Es gibt aber umsetzungsfähige Ideen.“ Zum Beispiel eine Musikschule oder ein repräsentativer Firmensitz.
Früher, als an die Schnellstraße vor der Tür noch gar nicht zu denken war, hatten sich etliche Interessenten für das große Areal gemeldet. Ein französischer Baukonzern wollte hier einen Baumarkt einrichten, danach gab es Pläne für ein Handwerkerdorf. Dann wurde der Park beschnitten, 335 000 Euro erhielten die Besitzer für 13 000 Quadratmeter, auf denen heute der Verkehr rollt.
„Das kann hier aber auch in Zukunft ein Schmuckstückchen werden“, sagt Maklerin Reinholz. Aus einem früheren Patientenzimmer wirft sie einen Blick auf die neuen Straßen, auf den nahen Autobahnanschluss in Richtung Berlin oder Leipzig, die Anbindung an die Nutheschnellstraße nach Potsdam und den direkten Weg zum künftigen Großflughafen in Schönefeld. „Die Insellage ist kein Hinderniss sondern ein Vorteil“, sagt Reinholz. Durch die Straßenbauarbeiten habe sich das prägnante Haus wieder aus dem Dickicht des Waldes geschält. Plötzlich ist es zu sehen und zurück im Bewusstsein. Das umbrauste Eiland, das auf den einen Siedler wartet.
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