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Potsdam-Mittelmark: Integrationsklasse viel zu groß

Caputher Eltern fühlen sich von „Willkür-Entscheidung“ betroffen und wollen Klarheit über ihre Rechte

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Schwielowsee - Im Schulamt Brandenburg (Havel) ist man stolz auf diese Zahl: Die Hälfte aller Kinder mit „sonderpädagogischem Förderbedarf“ wird an Regelschulen unterrichtet. Kein Schulamt im Land steht bei der Integration physisch oder psychisch beeinträchtigter Kinder besser da, sagt Schulamtsleiter Ulrich Rosenau. Man liegt damit im Trend, denn nach dem Willen der Landesregierung sollen Förderschulen im Zuge der sogenannten „Inklusion“ ab 2014/15 abgeschafft werden.

Einige Caputher Eltern würden inzwischen wohl ein Fragezeichen dahinter setzen. Laut Sonderpädagogikverordnung sollen Klassen mit Förderschülern nämlich höchstens 23 Kinder haben. In der 1a der Einstein-Grundschule sind es 27, obwohl es einen Förderfall gibt. „Ich möchte, dass dieses Kind ordentlich gefördert wird“, sagt Kerstin Schulz, deren Tochter auch in der Klasse ist. „Wenn dazu eine Klassenstärke vorgeschrieben ist, dann soll sie eingehalten werden.“

Aus der Caputher Lehrerschaft heißt es, dass heutzutage schon die Regelklasse mit 25 Kindern schwer zu unterrichten sei: Das Spektrum nach der Einschulung reiche von „Kindern, die schon lesen und rechnen können, bis zu Kindern, die ihre Ausscheidung noch nicht kontrollieren“. Bislang habe das Schulamt auch noch nie die Zahl 23 überschritten, wenn es Schüler mit Förderbedarf gab.

Warum diesmal so massiv davon abgewichen wurde, hat die Schulkonferenz trotz wiederholter Nachfragen vom Schulamt nicht beantwortet bekommen. Kerstin Schulz meint: „Das ist Willkür.“ Für sie ein Grund, im Namen einer Elterninitiative vors Gericht zu ziehen. Denn wenn aus 23 mehr werden, muss das laut Sonderpädagogikverordnung „im Benehmen“ mit dem Schulträger und der Schulkonferenz erfolgen. „Es wurde definitiv kein Benehmen mit der Schulkonferenz hergestellt“, sagt Rechtsanwalt Andreas Masopust, selbst betroffener Vater, der ein Eilverfahren übernommen hat.

„Benehmen würde heißen, Gründe zu benennen und sich vor einer Entscheidung mit den Argumenten der Betroffenen auseinanderzusetzen“, so Masopust. Die Gründe müssen gerichtsfest sein, um Willkür auszuschließen. Rechtsklarheit sei gerade für die Inklusion notwendig, wenn deutlich mehr Förderkinder an die Regelschulen strömen. „Das kann nicht einfach weiter so beliebig laufen“, warnt der Anwalt. Mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht ist die Elterninitiative vor zwei Wochen gescheitert, den geordneten Schulbetrieb sah man dort nicht gefährdet. Das Eilverfahren läuft aber weiter: Kerstin Schulz ist mit Masopust in Berufung gegangen.

Für ein Hauptsache-Verfahren sehen die Eltern die Gemeinde Schwielowsee in der Pflicht. Im Bildungsausschuss am Montagabend, wo das Thema auf der Tagesordnung stand, gab es zu dazu keine Abstimmung. Immerhin will der Ausschuss jetzt auch selbst beim Schulamt nach den Gründen für die ausufernde Größe der Integrationsklasse fragen. Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) betonte, dass dafür zumindest das Benehmen mit der Gemeinde, also dem Schulträger, hergestellt worden sei. Die Abweichungsgründe konnte sie auf Nachfrage der Eltern aber auch nicht liefern.

Schulamtsleiter Rosenau versuchte das gestern immerhin auf PNN-Anfrage: Der Förderbedarf des betreffenden Schülers sei erst spät im Juni festgestellt worden. „Die Entscheidung, dass mit 55 Kindern zwei Klassen gebildet werden, war da schon gefallen.“ Nicht immer bedeute ein Förderbedarf ja auch eine „tatsächliche Mehrbelastung“ für die Lehrer. „Bei einem schwerhörigen Schüler zum Beispiel kann es reichen, wenn er in der ersten Reihe sitzt und der Schulträger für Dämmung sorgt“, so Rosenau.

In wie vielen Integrationsklassen im Schulamtsbezirk die 23 überschritten wird, konnte er nicht sagen. Die Einstein-Schule habe für die betroffene Klasse zwei zusätzliche Teilungsstunden bekommen. Was das Benehmen mit der Schulkonferenz anbetrifft, sei die „innerschulische Kommunikation“ Aufgabe der Schulleiter, mit denen sei das Schulamt „zu allen Planparametern im Kontakt“.

Rosenaus Rechtsposition: Die Klassenstärke sei vom Gesetzgeber bewusst „nicht formalistisch auf 23 festgelegt worden, sondern eine Soll-Bestimmung“. Bei einer Überschreitung seien „komplexe pädagogische Fragestellungen“ und „der Rahmen des Haushaltsgesetzes“ zu beachten. Dazu Masopust: „Wenn es am Geld liegt, soll der Gesetzgeber ehrlich sein und größere Klassen festlegen.“

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