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KulTOUR: Jazz-Ensemble No kissing in Caputh: Irgendwie auf fremde Weise zart

Stahnsdorf - Mit den Worten „Wir waren schon überall in der Welt, aber in Caputh noch nie!“ begrüßte Werner Neumann, Frontmann und Gitarrist des Leipziger Jazz-Ensembles No kissing am Sonnabend das Publikum mit leicht nuscheligem Ausdruck.

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Stahnsdorf - Mit den Worten „Wir waren schon überall in der Welt, aber in Caputh noch nie!“ begrüßte Werner Neumann, Frontmann und Gitarrist des Leipziger Jazz-Ensembles No kissing am Sonnabend das Publikum mit leicht nuscheligem Ausdruck. In Amerika waren sie, in Asien auch, na ja, Caputh liegt irgendwo in der Mitte, da kommt jeder mal vorbei.

Eigentlich war ja eine Open-Air-Veranstaltung im Garten des Einsteinhauses vorgesehen, aber spätsommerliche Regenschauerungewissheit machten diesen Plan zunichte. Gott sei Dank gab es ja noch die Stüler-Kirche, da kam hin, wer das Konzert mit dem geheimnisvollen Namen „Behind the Mask“ hören und erleben wollte. So viele waren es nicht, aber keiner, der von diesem universalen Sound und der eindrucksvollen Art des Vortragens nicht angesprochen und berührt worden wäre.

Neben dem Mann an der E-Gitarre gehören Alma Neumann (bass) und Eva Klesse (drums) zum Jazz-Trio, letztere wurde für Caputh durch Jan Roth ersetzt. Sie alle gehören oder gehörten zur Leipziger Hochschule für Musik und Theater, wo das Trio sein Zuhause hat. Der englisch maskierte Titel will sagen, dass hier eben keine Maske im Spiel ist, nichts wird versteckt oder verborgen, gespielt wird direkt, gerade heraus, mal zart, mal eher rauh, dafür stets mit Leib und Seele. Dies soll wörtlich genommen werden, wie zu hören – und zu sehen war. Dargeboten wurden mehr oder weniger interessante Eigenkompositionen von Werner Neumann und Eva Klesse. „Anbindungsversuche erfolglos beendet“ stammt von der noch jungen Alma Neumann.

Die gedankliche Rahmung für „Behind the Mask“ gibt ein schwer dialektisch angehauchtes Zitat des Komponisten Wolfgang Rihm, das von Trennendem und Verbindendem in der Musik handelnd. Doch ist alle Theorie letztlich nicht ein Feind der frei tönenden Geister, da doch eher das Beispiel der anderen zählt? „Movement No. 4“ etwa schildert die Auseinandersetzung des in vielen Bands beheimateten Gitarristen mit Igor Strawinsky. Nun, der Meister hätte ihm dafür den Ehrenkranz verliehen! Obwohl Neumanns Spielweise oft kantig, wild und rauh wirkt, sind seine Themen, bei „Skin Deep“ zum Beispiel, eher leise, lyrisch. Und bleiben es nach heftigen und laut verzerrten Klangwolken letztlich auch – irgendwie auf fremde Weise zart. Ähnlich bei „Isabelle“, der Liebeserklärung an eine Verflossene. Hier ist die Schluss-Codierung von heftigster Wucht, na klar. Mit „Fi pi li“ reagiert er auf die kryptischen Straßennamen in Italien: Als Tonfolge bilden sie das Grundthema dieser wunderlich-zarten Komposition. Manche Läufe oder Ideen schienen sich im Verlauf des Konzertes zwar zu wiederholen, trotzdem wirkte das alles grundehrlich, unmaskiert eben. Viele Zitate, bekannte und erahnte. Der bestallte, aber gar nicht akademische Professor weiß Frank Zappa, Jimi Hendrix, Steve Morse und andere an seiner Seite - Fusionmusic nennt man das wohl, wenn Rock und Funk und Jazz und mehr sich miteinander binden.

Voller Einsatz bei jedem Vortrag, beseelte Gesichter, Leichtigkeit in der Ausführung – hier ginge jede Zuordnung fehl! Hier spielt das Leben selbst, nach eigenen Gesetzen. Keine dialektischen, sondern solche des Herzens, der Seele. Zwei Kompositionen von Eva Klesse zeigten die andere Seite. „Xenon“ mit akuter Wucht und das so betörend gesponnene Stück „Cowboy“ sind einfach vom Feinsten. Genau das zeichnet die „Caputher Musiken“ ja aus: Das absolute Fehlen musikalischer Leichen! Gerold Paul

Gerold Paul

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