Potsdam-Mittelmark: Jagd zwischen Gräbern
Auf dem Südwestkirchhof wurden am Samstag 28 Tiere zur Strecke gebracht
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Stahnsdorf - Unter der Schneedecke knackte das Unterholz, übertönt von Hundegebell und dazwischen war das Klopfen von Stöcken an Bäumen zu hören. In einer Kette zogen Treiber über den Stahnsdorfer Südwestkirchhof, um das Wild aufzuscheuchen, damit es aus der Deckung kommt. Bei einer Drückjagd, wie sie am Samstag auf dem über 200 Hektar großen Gelände stattfand, soll das Wild zu seinen üblichen Wechseln ziehen und dabei an mehreren Schützenständen vorbeikommen.
16 Wildschweine und 12 Rehe brachten die 15 Schützen am Samstag zur Strecke, unterstützt von 31 Treibern. Vor zwei Jahren fand die letzte Jagd auf dem Friedhof statt. Seither hat der Wildbestand enorm zugenommen. Noch vor einigen Tagen hatte Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt geschätzt, dass sich etwa 30 Wildschweine und 30 Rehe auf dem Gelände befinden könnten. Doch nach den jüngsten Beobachtungen der Jäger sollen fast doppelt so viele Tiere dort heimisch geworden sein. Die richteten bislang große Schäden an, vor allem durchwühlten Wildschweine große Anlagen von Grabfeldern. Rehe bevorzugen dagegen Grabschmuck, vorzugsweise Rosenblüten. Seit dem Straßenbau in Güterfelde, so vermuten Mitarbeiter des Kirchhofes, haben sich noch mehr Tiere auf den Gottesacker zurückgezogen.
In den vergangenen Wochen wurden daher systematisch alle Schlupflöcher an der kilometerlangen Umzäunung repariert. Ihlefeldt: „Insgesamt mussten fast 2000 Meter geflickt werden, was rund 2500 Euro kostete“. Ein dichter Zaun war die Bedingung der unteren Jagdbehörde für eine Sondergenehmigung zur Drückjagd. Der Kirchhof blieb daher am Samstagvormittag über fünf Stunden für Besucher geschlossen.
Auf waidmännische Rituale wie das Blasen zur Jagd wurde aber verzichtet, um die Totenruhe nicht zu stören. Geschossen wurde zudem nur auf Wiesen und Sichtachsen – nicht auf den Grabflächen. Trotzdem gab es im Vorfeld Beschwerden, die Jagd würde die Grabruhe stören. „Doch wir sind als Verwaltung auch in der Pflicht, die Grabstätten zu schützen“, so Ihlefeldt. Rund 120 000 Menschen, darunter auch zahlreiche Prominente wie Heinrich Zille, Lovis Corinth und der Großindustrielle Werner von Siemens haben auf dem Südwestkirchhof ihre letzte Ruhestätte gefunden.
Ihre Erlebnisse tauschten die Treiber nach der Jagd bei Erbsensuppe, Wurst und Glühwein aus. Einer berichtete, dass der ganze Boden gebebt habe, als einmal eine Rotte von rund 20 Wildschweinen durch die Reihen der Treiber brach. Beobachtet wurden insgesamt zwei Rotten, ebenso waren zwei große Keiler vor den Jagdbüchsen aufgetaucht. Einige Tiere seien auch verzweifelt am Zaun entlanggerannt und hätten immer wieder versucht, mit dem Kopf dagegen zu stoßen, erzählten die Treiber. Der Tradition gemäß wurde die Jagdbeute anschließend ausgenommen und auf Tannenzweigen gereiht zur Strecke gelegt, eine Ehrerbietung auch gegenüber dem Tier.
Nur wenige Stunden später hatten zwei Wissenschaftlerinnen des Dahlemer Institutes für Zoo- und Wildtierforschung die Eingeweide der Tiere im Labor untersucht. Ihr Befund: Die Tiere waren von bester Gesundheit und gut genährt. Ihlefeldt befürchtet trotzdem, dass die Jäger Schwierigkeiten haben werden, das Fleisch abzusetzen, da die Kühlhäuser der Wildhändler übervoll sind.
Für Verwalter Ihlefeldt war es die bisher erfolgreichste Jagd auf dem Kirchhof. Trotzdem ist noch zu viel Wild unterwegs, meint er, weshalb es im Januar einen weiteren Jagdtermin geben wird.
Kirsten Graulich
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