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Potsdam-Mittelmark: Jägerlatein im Unterricht

Stahnsdorf und die Wildschweine: Waidmann sorgt für Aufklärung an Schulen und Kitas

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Stahnsdorf - Für Lukas ist die Sache klar: „Im Zickzack weglaufen, da kommt das Wildschwein nicht hinterher“, ruft er durch das Klassenzimmer. „Nein, nein“, korrigiert ihn Mitschülerin Daniela: „Man muss nach links rennen, die Schweine können nur geradeaus sehen“, sagt sie und blickt erwartungsfroh zu Jäger Bernd Schmädicke. „Mmh“, sagt der mit ernster Stimmer, „das macht ihr lieber nicht.“ Die Ruhe bewahren und langsam den Rückzug antreten, das sei richtig, erklärt der Waidmann den Drittklässlern der Stahnsdorfer Lindenhofschule.

Nach 40 Jahren ist Bernd Schmädicke zurück an seine alte Schule gekommen. Nicht um zu lernen, sondern um zu lehren. Eine Ehre für den nebenberuflichen Jäger. Die Unterrichtsstunde mit ihm ist Teil eines Aufklärungsprogramms der Forstbetriebe an Schulen. Erstmals profitierten jetzt Stahnsdorfer Kinder davon.

Früher, erzählt Jäger Schmädicke, als er klein war, war Stahnsdorf ein Dorf. Es gab Bauern mit Hühnern und Hasen. Von Wildschweinen hatte man gehört. Die tummelten sich auf Wiesen und Feldern. Viele Felder sind heute verschwunden. Familien kamen, Häuser wurden gebaut. Die Schweine blieben und suchen ihre Nahrung jetzt in der Stadt.

Dort schütten Anwohner Gartenabfälle in Waldstücke, Kinder werfen Schulstullen in Hecken, prall gefüllte Abfallsäcke stehen am Straßenrand und duftende Blumenzwiebeln stehen ungeschützt im Vorgarten – eine Verlockung für die Schweine. „Die wollen auch satt werden“, sagt Jäger Schmädicke und zeigt den erhobenen Zeigefinger: „Füttern ist verboten. Sagt das euren Eltern.“ Und sollten die um Blumenzwiebeln trauern, „sagt ihnen, sie sollen einen Zaun bauen“. Dann kämen weniger Schweine.

Treffe man trotzdem im Ort auf die Borstentiere, sei Übermut fehl am Platz: „Die Schweine sind schneller als wir. Seid nicht zu mutig, streichelt sie nicht und lasst ihnen eine Fluchtmöglichkeit“, rät Schmädicke. Mit eigenen Augen habe er gesehen, wie eine Bache panisch durch einen Maschendrahtzaun gerannt sei. Ein großes Loche habe sie in den Zaun gerissen. Ein erstauntes „Ohh“ geht durch den Raum. Die Jägergeschichten machen Eindruck. Als Schmädicke von einem tödlichen Unfall eines Kollegen erzählt, wird es mucksmäuschenstill.

Für Stahnsdorfs Hauptamtsleiter Steffen Weickert ist die Unterrichtsstunde ein Erfolg. Immer häufiger sind Wildschweine im Ort anzutreffen. Deshalb sollen auch die Kinder der Zille-Grundschule und der Kindergärten im Ort vom Jäger-Latein profitieren.

Jäger Schmädicke kommt gern und erzählt seine Geschichten. Zu hören bekam er die übrigens auch von den Kindern: Bei der Frage, wer schon ein Wildschwein in Stahnsdorf gesehen habe, schossen viele Finger in die Höhe. Tobias Reichelt

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