Potsdam-Mittelmark: Jazz oder besser Blasmusik?
Die Vermarktung des Weins vom Wachtelberg steckt in der Sackgasse
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Die Vermarktung des Weins vom Wachtelberg steckt in der Sackgasse Von Kirsten Graulich Werder – „Fragen Sie mal die Gastronomen in der Umgebung, ob sie auf ihrer Karte Weine vom Werderaner Wachtelberg anbieten.“ So wie es Manfred Lindicke, seit 1996 Pächter vom Wachtelberg, sagt, ist ein Vorwurf nicht zu überhören. Die Gastronomen, die Wein aus Deutschlands nördlichstem Weinberg auf ihre Karte setzen, kann er an einer Hand abzählen: in Werder das Hotel zur Insel und das Fischrestaurant „Arielle“. In Caputh das Gildehaus und in Alt-Töplitz das Landgasthaus Mühlenberg. Auch die Kleinmachnower Bäkemühle bietet den havelländischen Rebensaft an. In den Lagern warten derweil 45000 Flaschen aus den beiden vergangenen Jahren. Die müssten weg, denn jährlich werden 30000 neue Flaschen produziert. Nun will der Förderverein noch mehr für den Wein vom Wachtelberg werben. Denn an der Qualität des Weines kann es nicht liegen, glaubt Lindicke. Immerhin gab es bei der Landesweinprämierung 2003 gleich vier Medaillen für die edlen Tropfen. Doch in einer Gegend, in der vorzugsweise Bier getrunken werde, sei es schwer, eine Lobby zu finden, die sich für Weinbau interessiere, stellte der Förderverein auf seiner jüngsten Sitzung fest. Zu hören war viel Selbstkritik, vor allem die Werbung für das letzte Winzerfest sei miserabel gewesen. Dann traten auch noch Differenzen über die anzusprechende Zielgruppe zutage: Während Lindicke vorschlug, Jazzformationen für kleine kulturelle Höhepunkte anzuheuern, meinten Andere, dass Polizeiorchester sei geeigneter. Hieß es anfangs noch, mit neuen Ideen für den Wein zu werben, blieb am Ende vor allem Ratlosigkeit. Verschoben werden soll nun der Termin des Winzerfestes von Juni auf Ende Juli. Herbst wäre zwar besser, aber da kommen keine anderen Winzer, weil deren Terminkalender schon voll sind, meint Lindicke. Zudem beginne im September die Ernte. Während der Verein noch darüber diskutierte, künftig mehr bei Bootsbesitzern und Campern zu werben, trafen einige Limousinen auf dem Wachtelberg ein. Die meisten mit Berliner Kennzeichen oder von noch weiter her. Die edlen Werderaner Tropfen gelten Kennern als Geheimtipp und manche holen sich ihre Kiste auch gleich selber vom dem Wachtelberg ab. Der Weg zum „Polarkreis des Weinbaus“ ist in der Stadt gut ausgeschildert und führt direkt von der Brandenburger Straße über kleine Nebenstraßen. Irgendwann lugen die ersten grünen Zipfel vom Weinlaub über den Buckel des schmalen Anfahrtsweges. Oben angekommen sieht das Ziel aus, als sei es aus dem Reiseführer in die Landschaft gesprungen: ein Panoramablick über sanfte grüne Hügel. Mitten in diesem Teppich aneinander geschmiegte Häuser, deren Dächer in der Abendsonne honigfarben leuchten. In der Ferne segelt ein Ballon vorbei. Auf der anderen Seite die Altstadt mit Marienkirche und Mühle, inmitten des Havelstroms, auf dem Segelboote dahin gleiten. Wer das zum ersten Mal sieht, reibt sich verwundert die Augen. Damit soll man nicht werben können? Der beste Platz ist auf der Terrasse der Straußwirtschaft – ein Logenplatz mit soviel Himmel, dass man glaubt, auf einem fliegenden Teppich zu sitzen, dazu der edle Tropfen. Die Rebensäfte , die freitags bis sonntags hier in der „Weintiene“ ausgeschenkt werden, kann man derzeit draußen noch besser genießen. Der „Müller-Thurgau“ trocken besticht durch seine angenehme Milde und sein interessantes Bukett. Halbtrocken schmeckt er fruchtig. Der „Saphira“wird von Kennern vor allem wegen sein es neutralen, aber betont fruchtigen Geschmacks mit eleganter Säurestruktur geschätzt. „Dornfelder“ und „Regent“ bestechen durch ihr duftiges dunkelrot. Beim Trinken offenbart sich, dass die Landschaft rings um den Wachtelberg in den Wein gekommen ist. Der Winzer drückt es etwas profaner aus und verweist auf den märkischen Sand, dem der Wein die Leichtigkeit und Milde verdanke, dazu das besondere Klima. Denn Werder gehört zu den sonnenreichsten und niederschlagsärmsten Orten Deutschlands. Kein Wunder also, dass Zisterzienser vor rund 800 Jahren begannen, hier Wein anzubauen. So ist der Wachtelberg auch ein lebendes Denkmal des brandenburgischen Weinbaus, das von der Stadt Werder und seit 1995 von einem Förderverein gepflegt wird. Auch Veranstaltungen wie Osterfeuer, Pfingstfrühschoppen und das Weinbergsfinale am 28.August mit Federweißem und Zwiebelkuchen sollen dazu beitragen, dass der märkische Rebensaft bekannter wird. Die Sache mit dem Jazz will sich Lindicke noch überlegen – weil ja die meisten Weintrinker auch Jazz lieben, sagt er. Weiteres im Internet unter: www.wachtelberg.de
Kirsten Graulich
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