Potsdam-Mittelmark: Jedem seine Buschtrommel
André Deinhardt aus Werder setzt mit seinem neuen Netzforum zur Reisesicherheit auf einen Perspektivwechsel
Stand:
Werder (Havel) - André Deinhardt war damals in Nepal unterwegs, auf einer zehntägigen Treckingtour mit seiner Frau Catherina Deinhardt. In Pokhara, am Fuße des Annapurnamassives, sah er bei einer Rast, dass seine Beine bluteten. „Überall kam Blut raus, ich hatte Angst und mir wurde schlecht.“ Es dauerte, bis er herausbekam, dass es sich um eine harmlose Attacke von Blutegeln gehandelt hat. Deinhardt, der gern in der Welt unterwegs ist, würde harmlose und ernste Gefahren gern schon vor dem Reiseantritt unterscheiden. Es ist einer der Gründe, dass er im April ein Internet-Startup gegründet hat.
Die Idee: ein Perspektivwechsel bei den Sicherheitshinweisen für Reisende. Oder, wie Deinhardt es formuliert: „Jeder Mensch erhält seine eigene Buschtrommel.“ Reisehinweise seien von Experten dominiert, die Reisenden würden selbst kaum einbezogen, findet er. Die Sicherheitshinweise vom Auswärtigen Amt oder dem Centrum für Reisemedizin seien zwar hervorragend recherchiert, manches Detail, zum Beispiel vom Temperament spanischer Autofahrer, fehle aber. Deinhardts neue Internetseite safe-travelling.de soll das ändern – und von Hinweisen Reisender leben.
Die Besucher werden aufgefordert, Mikro-Analysen zu schreiben und per Daumensignal Bewertungen abzugeben, es geht um die „Schwarmintelligenz“. Gerade wurde der hundertste Nutzerhinweis notiert. Das Forum wird derzeit auch noch von Kurzgutachten gespeist, die Deinhardt mit dem Geografen Simon Koch, dem zweiten Mann hinter „safe travelling“, erstellt. Die Probephase soll dieser Tage abgeschlossen werden, später ist eine App geplant. Fünfzehn Werberpartner aus der Tourismusbranche wurden bereits gefunden, darunter Tui, Thomas Cook und Holidaycheck.
Deinhardt ist gebürtiger Dresdner und promovierter Staatswissenschaftler. Nach dreizehn Jahren bei der Bundeswehr hatte er ein Betriebswirtschaftsstudium rangehängt und wurde Leiter der Unternehmensberatung bei „Berlin Partner“. Im April diesen Jahres dann machte er sich selbstständig. In Werder lebt er seit sieben Jahren. Dass seine Frau im Wohnhaus auf der Bismarckhöhe noch eine gutgehende Werbeagentur unterhält, hat sich beim Layout und der Handhabbarkeit der neuen Internetseite bezahlt gemacht. Beim diesjährigen Xpitch-Wettbewerb des Berliner Xinnovations e.V., in dem neue Netzallianzen prämiert wurden, bekam Deinhardts Internetseite unter dreißig Teilnehmern unlängst den ersten Platz. Das Publikum würdigte, dass das Reisen in alle Welt mit diesem Forum „sicherer und unabhängiger von Angaben regierungsabhängiger Sicherheitsorgane“ werde.
Sucht man zum Beispiel nach Kambodscha, so erfährt man durch Nutzerkommentare, dass man ein Visum neuerdings noch bei der Einreise bekommen kann. Einem Reisenden wurde von einer Prostituierten eine Brille entwendet, um ihn „zu überzeugen“. Bei einem Reisebus wurden in einem Außenbezirk Phnom Penhs bei nächtlicher Fahrt die Scheiben eingeworfen. Ein waagerechter Daumen zeigt, dass einige Gegenden besser gemieden werden sollten – eine Einschätzung, die vom Auswärtigen Amt geteilt wird.
Wer auf „safe travelling“ sein Reiseziel eingibt, bekommt auch alle sicherheitsrelevanten Links zu den offiziellen Stellen, zum Beispiel zu Vulkanobservatorien, wenn es ein Thema ist. „Das gibt die Google-Suche nicht her“, sagt Deinhardt. Schnell erreicht man eine Übersichtskarte oder eine Aufzählung der zehn sichersten und unsichersten Ziele. Somalia sollte man demnach unbedingt meiden, in Dänemark kann man sich – ungeachtet der Kriminalromane – gefahrlos bewegen. Ein Nutzer hat in seiner Einschätzung aus der Stadt Hjørring vermerkt, dass es „selbst nachts und bei Diskotheken immer ruhig und sicher“ sei.
Im Internet unter:
safe-travelling.de
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