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Potsdam-Mittelmark: Jeder vierte schafft es nicht

Bei der Lehrausbildung der Handwerkskammer klemmt es – in manchen Firmen wird fast nur gefegt

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Bei der Lehrausbildung der Handwerkskammer klemmt es – in manchen Firmen wird fast nur gefegt Potsdam-Mittelmark - An sich war es als Feierstunde angelegt: 271 junge Gesellen und Fachkräfte haben am Freitag im Handwerkerzentrum Götz ihre Gesellenbriefe und Abschlusszeugnisse überreicht bekommen. 93 Lehrlingen vom Automobilkaufmann über Friseur bis zu Fahrzeuglackierer und Fachverkäuferin war nicht nach Feiern zumute, sie sind durchgefallen. Die Zahlen decken sich mit denen im gesamten Potsdamer Handwerkskammer-Bezirk (ehemals Bezirk Potsdam): Von bisher 1842 Prüfungsteilnehmern erreichten 24,9 Prozent nicht das Ziel. In den Vorjahren sah es ähnlich, teils sogar schlimmer aus. „Die Oberstufenzentren und Betriebe tragen daran sicher nicht die größte Schuld“, sagte Bildungsstaatssekretär Martin Gorholt in der Feierstunde. Das 83 Prozent der Lehrlinge schon an der theoretischen Prüfung gescheitert sind, sei eine Frage der schulischen Ausbildung vor dem Beginn der Lehre. Auch Eva Gatzky, Abteilungsleiterin Berufsbildung der Handwerkskammer, deutet die Zahlen so: „Die von den Unternehmen immer wieder beklagten eklatanten Wissenslücken der Schulabgänger sind letztendlich die Hauptursache für diese hohen Durchfallerzahlen.“ Fragt man die Lehrlinge, wollen sie das nicht bestätigen. Der frisch gebackene Lackierergeselle Daniel Triebandt aus Luckenwalde hat in seiner Ausbildungsklasse Desinteresse als Grund erkannt, dass viele scheitern. Mancher würde eine Lehre beginnen, ohne zu wissen, worum es in dem Beruf geht. „Man muss vorher ein Praktikum machen, wenn das was werden soll“, sagt er. Die Jugendlichen sind streng mit sich selbst – auch für Romano Ludwig, der seit Freitag Hochbaufacharbeiter ist, liegt es an der „Faulheit“, dass viele seiner Azubi-Kollegen versagen. Bei den Hochbaufacharbeitern hat nur jeder Zweite die Prüfung bestanden. „Die kommen nicht mal zum Unterricht“, sagt Ludwig. Katrin Unkelbach, die gerade ihre Lehre als Fachverkäuferin in der Caputher Bäckerei Karus abgeschlossen hat und ganz glücklich mit ihrer Ausbildung war, hat auch schon über die fehlende Motivation in ihrem Ausbildungsjahrgang nachgedacht: „Das sind die schlechten Berufsund Gehaltsaussichten.“ Ihre beiden Klassenkameradinnen, die in anderen Bäckereien lernten und ungenannt bleiben wollen, formulieren es schärfer: „Die Firmen interessiert es doch gar nicht, was mit ihren Lehrlingen passiert. Die brauchen nur eine billige Hilfskraft.“ Statt mal eine Schaufensterdekoration auszuprobieren oder ein Verkaufsgespräch mit der Chefin zu üben, stünden in ihren Lehrbetrieben vor allem Reinigungsarbeiten auf der Tagesordnung, wettert das Duo. „Da hat man in der Theorie dann auch keine Lust mehr.“ Die überbetriebliche Ausbildung sei mit zwei Wochen viel zu kurz, um auf die praktische Prüfung gut vorbereitet zu sein, findet auch Katrin Unkelbach. „Die Schule hat damit jedenfalls nichts zu tun.“ Ein Elektrikerlehrling, der durchgefallen ist, berichtete gegenüber den PNN, in seiner Firma nur mal eine Steckdose verkabelt zu haben. „Sonst habe ich Kabel durch Rohbauten gezogen und Müll weggeräumt.“ Als bei der praktischen Prüfung Verteilungen verdrahtet werden sollten, habe er das nie zuvor gemacht. „Dabei habe ich Samstage ans Bein gebunden, um Zusatzqualifikationen zu erlangen.“ Die Branche weiß offenbar selbst, dass es in manchen Betrieben klemmt. Potsdams Bäckermeister Erich Schröter, der für seine Innung den Prüfungsausschuss leitet, hat zwar schon Lehrlinge kennen gelernt, bei denen selbst der Realschulabschluss nicht für die nötigen Grundkenntnisse reichte. Oft würden im Hintergrund noch dazu „Träumerberufe“ stehen. Aber Schröter übt auch Selbstkritik: „In kleineren Betrieben klappt es, in großen Ketten werden aber auch mal Lehrlinge eingestellt, um betriebswirtschaftlich voranzukommen.“ Vielleicht hörten die Inhaber bei der Festansprache von Staatsekretär Gorholt zu: „Bis 2010 werden 100000 Fachkräfte in Brandenburg in Rente gehen“, sagte Gorholt. Die Zahl der Schulabgänger würde sich derweil halbieren. „Gut ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte werden bald sehr gefragt sein.“

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