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Potsdam-Mittelmark: Jugendengel tief ins Holz geschnitten

Eine Ausstellung über Gewalt und Toleranz, Wünsche und Hoffnungen

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Teltow – Wie sieht ein Jugendengel aus? Er trägt keine Krone, denn man hat ihm bisher keine Chance dazu gegeben. Das sagt Christian, einer von etwa 30 Jugendlichen, die am Projekt „Jugendengel“ in der Galerie Sonnensegel in Brandenburg/Havel teilnahmen. Christians Engel hat viel mit seinen eigenen Erfahrungen zu tun. „Die Jugend stößt dauernd an Grenzen“, meint er, „und die Krone liegt im Dreck.“ Eine Projektteilnehmerin hat den Engel in sich selbst entdeckt: „Ich hole ihn aus mir heraus und dann schützt er mich.“ Über ein Jahr haben sich die Jugendlichen mit dem Thema Engel beschäftigt, und sich dabei mit Fragen der Gewalt, der Toleranz sowie eigenen Wünschen und Hoffnungen für die Zukunft auseinandergesetzt. Mit Rundeisen und Konturenmessern haben sie ihre Engel tief ins Holz geschnitten und geschabt und dabei Hunderte von Gedanken abgearbeitet.

Drucke dieser Holzschnitte sind jetzt im Pfarramt der Evangelischen Kirchengemeinde Sankt Andreas in der Ritterstraße zu sehen. Projektleiter Armin Schubert forderte zur Eröffnung der Ausstellung einen anderen Umgang mit Jugendlichen. „Denn die Schule entlässt junge Leute heute kenntnisreich, aber erfahrungsarm.“ Nach Pisa sei da einiges aus dem Blickfeld geraten, meinte Schubert, der die Jugendkunstschule Sonnensegel leitet. Im Engelprojekt hätten die Teilnehmer einen kulturellen Lernprozess absolviert, der nicht nur ihre ästhetische Wahrnehmung beeinflusst habe, sondern auch bei der Selbstfindung half. Vor Projektbeginn zählten mehrere Teilnehmer zu den gewaltbereiten Schülern einer Brandenburger Gesamtschule. Zertrümmerte Toilettenbecken und Mobbing waren an der Tagesordnung.

Schubert erzählte, wie Martin, der wegen Gewaltbereitschaft aus der Lehre flog, in dem Projekt „den richtigen Drive fürs Leben bekam“. Der junge Mann ist heute Altenpfleger. Eine andere Teilnehmerin des Projektes berichtete: „Anfangs war große Ratlosigkeit und Zurückhaltung, dazu Musik, die wir nicht gewohnt waren. Dann totale Vertieftheit.“

Anregung zum Projekt gab das Mappenwerk „Engel der Geschichte“(1964) vom Holzschneider HAP Grieshaber, der als einer der ersten ökologisch denkenden Künstler gilt. Beispiele sind sein „Wacholderengel“ zur Rettung der Alm und die Folge „Stop dem Walfang“. Als Armin Schubert die Holzschnitte betrachtete, erkannte er Parallelen zur Gegenwart. Er teilte die Beunruhigung des kantigen Schwaben, der mit seiner Kunst gesellschaftliche Missstände bewusst machen wollte.

Ein „Engel-Projekt“ startet im Herbst auch in der Region. Die Evangelische Grundschule und das Gymnasium Kleinmachnow werden „Engel für andere“ kreieren, und in der Teltower Jugendkunstschule wird es um die verschiedenen Aufgabenbereiche der himmlischen Boten gehen. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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