
© imago/Birgit Koch
Von Ariane lemme: Junge Alte helfen alten Alten
Awo unterstützt Teltower Seniorenarbeit mit innovativem Projekt
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Teltow - Unterhaken will sich der 88-Jährige Senior nicht bei Wolfgang Pacholek. Er will selbstständig gehen, auch wenn er dafür einen Rollator braucht. „Geistig ist der Mann noch sehr agil, doch das Gehen fällt ihm schwer. Deshalb übe ich mit ihm“, so Wolfgang Pacholek. Der 64-Jährige ist einer von acht Ehrenamtlichen, die sich in dem Projekt „Junge Alte helfen alten Alten“ der Arbeiterwohlfahrt in Teltow engagieren.
Seit einem Jahr treffen sich die „jungen Alten“ einmal monatlich im Haus der Arbeiterwohlfahrt in Teltow, um über ihre Erfahrungen mit der ehrenamtlichen Arbeit zu berichten. Als Arbeit im eigentlichen Sinn empfindet die junge Seniorin ihr Engagement nicht: „Es mag egoistisch klingen, aber ich mache das auch, um selbst unter Menschen zu kommen“, sagt Bärbel Brede. Den älteren Mann, den sie betreut, kannte sie aus der Nachbarschaft. Er fiel ihr auf, weil er so desorientiert wirkte. Sie fand heraus, dass er kurz zuvor seine Frau und seine Tochter verloren hatte. Seitdem kümmert sie sich um ihn, nimmt ihn mit zum Spieleabend oder in ihre Kunst-Gruppe.
Wolfgang Pacholek sieht das ähnlich, auch er profitiere von den Treffen. Solange er beruflich eingespannt war, habe er praktisch keinen Kontakt zu alten Menschen gehabt. Das änderte sich, als er nach seiner Pensionierung begann, sich andere Betätigungsfelder zu suchen und so auf das Projekt der Awo stieß.
Etwa vier Stunden die Woche schenken die Helfer ihre Zeit hilfsbedürftigen Senioren. „Oft brauchen die alten Menschen einfach jemanden zum Reden“, sagt Bärbel Brede, die von Anfang an in das Projekt involviert war. Mit den eigenen Kindern, die meist beruflich eingespannt sind, klappe das oft nicht so gut.
„Vertrauen ist die wichtigste Voraussetzung für das, was wir tun“, sagt Wolf Stein, der Initiator des Projekts. Zu freundschaftlich muss das Verhältnis zwischen den jungen und den alten Alten aber auch nicht werden. „Bei mir zuhause treffen wir uns nie, das versuche ich, so lange es geht herauszuzögern“, sagt Wolfgang Pacholek. Eine gewisse Distanz sei trotz aller Herzlichkeit, die die „jungen Alten“ ihren Schützlingen entgegenbringen, wichtig, darin sind sich alle einig. Es gehe schließlich darum, den Menschen ein würdiges Altern zu ermöglichen. Viele schämten sich für ihre Hilfsbedürftigkeit. Deshalb haben auch alle Betreuten den Wunsch geäußert, ihren Namen nicht in der Zeitung zu lesen.
Der Gruppe geht es darum, stabile Netzwerke zu knüpfen. Verreist einer von ihnen selbst, wird vorher geklärt, wer sich in der Abwesenheit um die Schützlinge kümmert. Das ist nicht immer ganz einfach, viele hängen sehr an der Vertrauensperson. Bärbel Brede hat deshalb angeregt, die Kontakte untereinander weiter auszubauen.
Wie wichtig das ist, zeigt eine traurige Begebenheit: Als ihr Schützling bei ihrem morgendlichen Anruf nicht ans Telefon ging, fuhr Adelheid Schiele sofort zu ihm, ließ die verschlossene Tür aufbrechen. Der Mann war in seiner Wohnung gestorben. „Wir erleben hier alle Höhen und Tiefen des Lebens“, sagt Wolf Stein. Sein Anliegen geht aber über das Projekt hinaus: Von den 22 000 Einwohnern Teltows sind rund 6 000 älter als 65 Jahre. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird in den nächsten Jahren noch steigen. „Bürgerschaftliches Engagement wird immer wichtiger, wir müssen auf den demografischen Wandel reagieren“, so Stein.
Das setzte auch voraus, dass die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer honoriert werde, zumindest durch eine vernünftige Aufwandsentschädigung für Fahrtkosten und den Kaffee nach dem Spaziergang. Das Awo-Haus in Teltow finanziert sich über Spenden, Mitgliedsbeiträge und öffentliche Gelder. „Wir sind aber auch im Gespräch mit den Krankenkassen, selbst wenn wir ganz explizit keine Pflegeaufgaben übernehmen“, so Stein.
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