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Potsdam-Mittelmark: Kältekur für Andreaskirche

Heizverbot für das Teltower Gotteshaus / Schinkel-Bau mit Schuke-Orgel benötigt dringend Sanierung

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Heizverbot für das Teltower Gotteshaus / Schinkel-Bau mit Schuke-Orgel benötigt dringend Sanierung Von Kirsten Graulich Teltow. Wenn vor 200 Jahren die mittlere Glocke der Andreaskirche einmal läutete, eilten die Teltower Großbürger herbei, um sich zu versammeln. Erschallte der Glockenklang ein zweites Mal wurden auch die Mittelbürger der Stadt geladen und der dritte Schlag rief die Kleinbürger hinzu. Tönte die kleinere Glocke liefen die Kinder zur Schule. Zum Kommunikationssystem des einstigen Ackerbürgerstädtchens gehörte auch die große Betglocke, deren tiefer Klang morgens, mittags und abends zum Gebet rief. Die Stundenzeit kündigte den Ackerbürgern die kleinste Glocke an, die in der schiefergedeckten Kuppel hing. Doch der Glockenklang, der einst weit über das Städtchen hinaus vernommen wurde, ist heute nur noch im Zentrum der Altstadt zu hören. Denn die große Stahlglocke muss schweigen, ihr Tönen würde die altehrwürdigen Mauern des Kirchturmes zu sehr erschüttern. Das erscheint in Anbetracht von anderthalb Meter dicken Grundmauern erstaunlich. Doch wer die Stufen hinauf in den Turm steigt, entdeckt die Spuren, die die Zeit an Turm und Dachgebälk hinterließ. Neben Rissen ist auch noch ein Einschuss aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges sichtbar, denn die letzte Verteidigungslinie war am Kanal und aus dieser Richtung durchbohrte eine Kugel den Turm. Nach Kriegsende wurde das Einschussloch mit einem Bohlenbrett abgedichtet. „Man hat damals genommen, was man hatte, um auszubessern", berichtet Haus- und Kirchwart Michael Wilcke. Doch der gesamte Dachstuhl muss erneuert werden, denn das Holz ist weich geworden. Zum Beweis drückt Wilcke nur leicht mit dem Finger gegen einen Balken und die Stelle zerbröselt wie Sand. Nicht alle Balken sind davon befallen, aber der Zersetzungsprozess weitet sich immer mehr aus. Schuld daran ist ein Holzschutzmittel aus DDR-Zeiten. „Der Holzbock wurde seinerzeit erfolgreich beseitigt, aber wir haben nun ein riesiges Problem mit der Holzkonstruktion", verweist Wilcke auch auf die notwendige Dachsanierung. Durch das Satteldach, das in den 1970er Jahren notgedeckt wurde, dringt erneut Nässe. Aber vor allem die extreme Trockenheit im Kirchengebäude wird immer mehr zum Problem, weil die Gasheizung die Luftfeuchtigkeit auf 25 Prozent reduziert. Normal wären 65 Prozent. In den Wintermonaten können nicht einmal mehr Kerzen angezündet werden. „Es ist hier drin knochentrocken und deshalb müssen wir die Kirche von Januar bis Februar kalt stellen, um weitere Schäden zu vermeiden." Nicht nur Risse in der Deckenverkleidung bestätigen die extreme Trockenheit, sondern auch die rasselnden Nebengeräusche der Orgel, denn das Instrument steht auf der Empore und da hinauf steigt die Wärme. Jedes Mal vor einem Konzert frage sich deshalb der Organist besorgt, welche Pfeife wohl diesmal rausfliege? Die Trockenheit hat nicht nur Risse in der Holzverkleidung der Orgel hinterlassen, auch den Lederplättchen der Pfeifen ist nur eine extrem kurze Lebensdauer beschieden. „Wenn wir das Problem nicht bald gehändelt kriegen, könnte es in ein paar Jahren zu spät sein", sagt Wilcke. Die Schuke-Orgel (1910) mit pneumatischer Traktur, zwei Manualen und 20 Registern wäre nicht nur für Teltow ein großer Verlust. Um das Instrument zu retten sind 250 000 Euro nötig. Gleichzeitig müsste auch eine neue Heizung mit Temperierungsanlage eingebaut werden, deren Kosten sich auf 60 000 Euro belaufen würden. Insgesamt ist eine Summe von rund einer Million für die dringlichsten Sanierungsmaßnahmen nötig. Allein das Einrüsten von Turm und Kirchenschiff kostet 50 000 Euro. „Die ehrenamtliche Leitung unserer Kirche bekam das große Schlucken als wir von den Vorstellungen der Denkmalbehörde erfuhren", merkt Wilcke an. Denn die Denkmalschützer möchten, dass bei der Sanierung soviel wie möglich auf Schinkel zurück gebaut werden soll. Der Baumeister Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) trug dazu bei, dass die zerstörte spätromanische Kirche aus dem 13. Jahrhundert zu einem neugotischen Kirchengebäude mit einem dreifach eingezogenem Turm umgebaut wurde. Die Bauarbeiten begannen neun Jahre nachdem der Feuerteufel am 29. August 1801 die Stadt erneut heimgesucht hatte. Erhalten blieben die behauenen Granitfeldsteine der Außenmauer. Kurz vor dem Bauabschluss 1812 bemängelte Schinkel ärgerlich den verwüsteten Platz rund um die Kirche, der einem Schutthaufen glich. Schinkel schlug deshalb vor, das Gelände zu planieren, einen Rasen anzulegen und Bäume zu pflanzen. Vereinzelte Schiefersplitter im Umfeld der Kirche zeugen noch heute von dieser Anweisung. Doch schon hundert Jahre später wurde Schinkels Innenausbau kein hoher Wert mehr beigemessen und die „übertriebene Höhe des Kirchenschiffes" durch ein buntbemaltes Tonnengewölbe tiefer gelegt. Abgerissen wurden auch alle Einbauten Schinkels, ebenso Kanzelaltar und Westempore beseitigt. Die bleiverglasten Kirchenfenster wurden im Krieg zerstört und in den Nachkriegsjahren durch farbige Gläser ersetzt, deren Bleifassung bereits teilweise defekt ist, weil sich das Blei langsam zersetzt. Da es viele Fördertöpfe nicht mehr gibt, hofft die ehrenamtliche Kirchenleitung auf private Sponsoren, die sich für die Restaurierung von einzelnen Bauteilen wie Türen, Fenster oder die Bekrönung engagieren möchten. Krone und Kugel sind beispielsweise mit 7000 Euro veranschlagt, eines der Turmfenster kostet 1300 Euro, der Glockenstuhl 5000 Euro, ein Rundfenster im Kirchturm 3000 Euro und Türen etwa 5000 Euro. Willkommen sind natürlich auch kleinere Spenden.

Kirsten Graulich

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