
© Henry Klix
OBSTBAUERN IN NOT: Kälteschock für Obst und Wein
Von der Pflaume bis zur Kirsche: Obstbauern rechnen mit Ausfällen zwischen 50 und 95 Prozent
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Werder (Havel) / Potsdam – Noch ist das ganze Ausmaß nicht abzusehen. Fest steht jedoch, dass die Obstbauern im Havelland in diesem Jahr mit gewaltigen Ernteausfällen rechnen müssen. Manfred Kleinert, Geschäftsführer des Obstgutes Marquardt und Vorsitzender der Fachgruppe Obstbau beim Landesgartenbauverband, rechnet mit Verlusten im Bereich zwischen 50 und 95 Prozent – abhängig von den jeweiligen Obstsorten und Lagen.
„Der Grund für die missliche Lage ist eine besonders unglückliche Kombination von Trockenheit und Nachtfrösten“, erklärt Kleinert. Das warme April-Wetter hatte die Blüte beschleunigt und zu einem Vegetationsvorsprung von bis zu 14 Tagen geführt. Als dann zum 5. Mai plötzlich starke Nachtfröste einsetzten, waren die empfindlichen Fruchtkörper bei vielen Obstarten bereits ausgebildet und verkümmerten in den nachfolgenden Tagen. Hinzu kam, dass der trockene Boden den Frost besonders intensiv aufnahm.„Es wird noch zwei bis drei Wochen dauern, bis die Landwirte rund um Werder eine genaue Bilanz auf dem Tisch haben“, sagte Obstbauexperte Manfred Lindicke den PNN.
Abzusehen sei jedoch bereits, dass es um die Pflaumen und Sauerkirschen besonders schlecht stehe. „Auch die Situation bei Äpfel und Birnen ist nicht sehr gut, bei den Süßkirschen ist sie durchwachsen“, so Lindicke. Bei den Erdbeeren hoffe man noch auf das Gedeihen von spät aufblühenden Sorten.
Mit Sorge blickt Manfred Lindicke auch auf den Werderaner Wachtelberg. Dort betreibt er auf einer Fläche von sechs Hektar Weinbau. Auch dort hat der Frost einen großen Teil der Austriebe zerstört. Totalverlust gibt es auf einem halben Hektar mit der Sorte Müller-Thurgau. Das sind bereits 20 Prozent der Gesamtmenge, die Lindicke von dieser wichtigen Weißweinsorte auf dem Wachtelberg anbaut. Nach der bescheidenen Ernte 2010 (PNN berichteten) könnte jetzt der nächste problematische Jahrgang folgen.
Im Vergleich mit anderen deutschen Winzern hat Lindicke indes noch Glück gehabt. Aus anderen Weinanbaugebieten zum Beispiel in der Pfalz und in Rheinhessen werden sogar Totalausfälle gemeldet. Für Lindicke ist das im Moment nur ein schwacher Trost. Für seine Trauben hofft er jetzt auf einen warmen August ohne Hagel und Starkregen wie im vergangenen Jahr.
Der Glindower Obstbauberater Siegmar Wilhelm spricht von einer dramatischen Situation. „Ich bin seit 1971 im Obstbau tätig. Dass fast alle Obstarten gleichermaßen betroffen sind und der Frost vor allem in hohen Lagen großen Schaden angerichtet hat, habe ich in all den Jahren noch nicht erlebt“, so Wilhelm. Bei nicht wenigen Obstbauern gehe das an die Substanz. Auch Kleinert sieht enorme Schwierigkeiten auf einige Betriebe zukommen. Mit der Landesregierung seien deshalb bereits erste Gespräche geführt worden, sagt er. „Es kommt darauf an, viele bereits bestehende Fördermöglichkeiten auch aus dem Sozial- und Umweltbereich zu nutzen, um betroffenen Obstbauern zu helfen“, so Kleinert.
Im Landwirtschaftsministerium sei das Problem angekommen, sagte Pressesprecher Jens-Uwe Schade den PNN. „Wir werden die Marktsituation, die Preisentwicklung und die Situation der Betriebe in den kommenden Monaten sehr genau beobachten“, erklärte er. An ein Sonderprogramm wie etwa zum Ausgleich der Starkregenschäden im vergangenen Jahr werde zur Zeit nicht gedacht. Eines stehe jedoch fest: „Bisher hat in Brandenburg noch kein Betrieb wegen extremer Wetterkapriolen aufgeben müssen“, so Schade.
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