Potsdam-Mittelmark: Kanalforellen blau und Teltower Enten
Nachdem die kaiserliche Yacht das rot-weiße Band durchtrennt hatte, wurde zur Eröffnungsfeier ins Schleusenwirtshaus geladen
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Der für den zweischiffigen Verkehr gebaute Kanal wurde in seiner Oststrecke Britz-Grünau bereits ab April 1904 von der Personenschifffahrt in Richtung Dahme und Müggelsee genutzt. Im Westen stellte man im Interesse des Ausflugsverkehrs vom Griebnitzsee aus Durchstiche – als Prinz-Friedrich-Leopold-Kanal bezeichnet – zwischen den kleinen Seen bis zum Großen Wannsee her. Um den Ausflugsverkehr auf dem Teltowkanal zu entwickeln, wurde nach dem Beschluss des Kreistages vom 30. März 1903 die Teltower Kreisschifffahrt gegründet. Mitte 1906 bestand die Kreisflotte schon aus zehn Schiffen und Booten mit zusammen 1300 Fahrgastplätzen. Die Reederei hatte ihre Geschäftsstelle in Neubabelsberg.
Am Vormittag des 2. Juni 1906 lief zur Einweihung des Teltowkanals mit Verspätung die Yacht Alexandria mit Kaiser Wilhelm II. von der Glienicker Lake kommend in den Kanal ein. Ohne Stopp durchtrennte die Yacht das über den Kanal gespannte rot-weiß gespannte Band. Der Kaiser, ein großer Freund des Maritimen, ließ es sich nicht nehmen, auch den Teltowkanal wie zuvor persönlich den Nord-Ostsee-Kanal und den Elbe-Trave-Kanal zu eröffnen. An Bord der Alexandria befanden sich neben der kaiserlichen Familie und einiger Hofmarschälle der Landrat Ernst von Stubenrauch sowie die königlichen Bauräte Havestadt und Contag. Die Alexandria, in ihrem Kielwasser die Kreisdampfer „Wannsee“ und „Steglitz“ mit geladenen Gästen, dazu der Bereisungdampfer „Mark“ der Wasserbauverwaltung trafen gegen 12 Uhr an der Schleuse Kleinmachnow ein. Sie überholten kurz zuvor einen Schleppzug, der vorausgefahren war, um Seiner Majestät die Funktionsweise der Treidelbahn zu demonstrieren.
Es war ein kühler, regnerischer Tag, dennoch drängten sich an den Kanalufern, auf den Brücken und an der Schleuse hunderte Schaulustige. Heimatverbände und Chöre waren gekommen, überall waren Fahnen und Girlanden angebracht. Blasmusik spielte.
Nach der Durchschleusung dampfte das Kaiserschiff bis Teltow, wendete und machte wieder an der Schleuse fest. Im Festsaal des Schleusenwirtshaus gab es eine Frühstückstafel: Kraftbrühe mit Mark, Rehrippchen mit Trüffeln, Kanalforellen blau, Teltower Enten, Artischockenböden mit grünen Spargelspitzen und geschlagenem Eiersulz, dazu Weine der Jahrgänge 1888 bis 1903.
Tags darauf, am Sonntag, veröffentlichte das Teltower Kreis-Blatt die Titel- und Ordensverleihungen: Der Königliche Landrat von Stubenrauch erhielt das Komturkreuz des Hohenzollerschen Hausordens. Von den mehr als zehn verliehenen Rote Adlerorden 4. Klasse bekamen einen der Kreisdeputierte Georg von Badewitz und der Baurat Contag. Sein Partner Havestadt wurde Geheimer Baurat und dem Bauaufseher Ehlers aus Stahnsdorf wurde die Kronenmedaille verliehen.
Die Mitteilungen der Kanalbau-Verwaltung und der Ablauf der Feierlichkeiten trugen dazu bei, dass man über Deutschland hinaus in der Öffentlichkeit annahm, der Teltowkanal sei in seiner Gesamtlänge eröffnet worden. In Wirklichkeit verhinderten Dammversackungen bei Lichterfelde die Fertigstellung. Landrat von Stubenrauch konnte erst am 22. Dezember mit den Kreistagsmitgliedern „seinen“ Kanal von Grünau bis zur Machnower Schleuse durchfahren.
Die Freigabe des Kanals für die Frachtschifffahrt erfolgte im Frühsommer 1907. Die Teltowkanalverwaltung bzw. die 1924 gegründete Teltowkanal AG besaßen das Schleppmonopol für die Treidelbahn. Diese fuhr entlang der beiden reinen Kanalstrecken. Auf den zwei Seenstrecken ab Glienicker Lake bis zum Ostende des Griebnitzsees und von der Machnower Schleuse bis zum Ende des Machnower Sees kamen 110-PS-Schleppboote zum Einsatz. Ab 1930 wurde die Kähne durch den Machnower See mit Hilfe einer Motorseilwinde gebracht. Die mit Gleichstrom betriebenen 20 Loks fuhren im Ringverkehr. Daher befanden sich zum Wechseln der Loks zur anderen Uferseite an den Endpunkten Gleisbrücken. Ebenfalls als Bahnübergang diente die Machnower Schleusenbrücke. Die elektrische Treidelbahn fuhr etwa 1,70 Meter bis 3,50 Meter über dem Wasserspiegel. Zusammengestellt wurden Schleppzüge mit zwei 600-Tonnen-Kähnen oder vier kleineren Güterschiffen. Eine Kanaldurchfahrt dauerte zehn Stunden. Der Kanalbetrieb wurde von den Kanalmeistereien Klein Glienicke (bis Machnower Schleuse), Steglitz und Grünau gesteuert. Eingerichtet waren drei Bauhöfe, unter anderem an der Schleuse. Man ging davon aus, dass sich der technisch aufwendige, aber umweltfreundliche und Personal sparende Treidelbetrieb aufgrund der geringereren Kanalunterhaltungskosten bei einem Jahresverkehr von zirka zwei Millionen Gütertonnen rechnen wird.
Der Autor: Joachim Winde lebt in Stahnsdorf und ist Diplom-Ingenieur für Schifffahrt. Er arbeitete seit 1960 im Bereich der deutschen Binnenschifffahrt und als Dozent für Speditionsbetriebslehre.
Joachim Winde
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