Potsdam-Mittelmark: Kein Fachwerk mit Wildschweinkopf
In Caputh gewöhnt man sich nur langsam an die moderne Villenarchitektur – dabei ist sie hier nicht neu
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Schwielowsee - Es ist ein hübscher Blick von hier in den märkischen Wald, durch die Stämme und Äste im Osten glitzert der Caputher See. Thomas Brennenstuhl hat das ausgedehnte Grundstück Am Sonnenhang schon vor fünf Jahren gekauft, inzwischen hat der 36-jährige Mitarbeiter eines Berliner Medienhauses mit seiner Frau ein Baby – und der Hang ist eine Baustelle. Der Rohbau lässt viel erkennen: ein Architektenhaus mit Glasfronten zur offenen Landschaft und Dachterrasse, um von oben über die Baumwipfel und Hügel hinwegzustaunen. Ein moderner Bau aus in sich versetzen Kuben und gestaffelten Räumen, wie er inzwischen immer öfter in Caputh zu finden ist. Im Mai will die Familie einziehen.
Dass um solche Gebäude gestritten wird, ist nicht neu: Den Bau der Villa San Vitale am Ortseingang Richtung Potsdam mussten die Bauherren gegen massive Widerstände gerichtlich durchsetzen. Als die Kirchengemeinde ihr gewagtes Gemeindehaus neben der denkmalgeschützten Stülerkirche bauen wollte, gab es Gegrummel bis hin zur Denkmalbehörde. Und auch der Neubau am Sonnenhang läuft nicht reibungslos: Eine Nachbarin wollte beim Verwaltungsgericht einen Baustopp durchsetzen, vor zwei Wochen wurde der Eilantrag als „unbegründet“ abgewiesen.
Von „Prunkbauten der neuen Architektur“ wird dieser Tage im Heimatblatt „Havelbote“ gewettert, das Gespür für das „ländlich geprägte Caputh“ wird vermisst. Die Leserbriefe betreffen verschiedene Häuser und meinen wohl das Gleiche: „Für Rücksicht auf die Eigenarten der Umgebung oder die Nachbarhäuser mit ihren Gärten bleibt kein Platz“, schrieb eine Caputherin. „Regeln gibt’s nicht mehr, alles ist möglich.“
Thomas Brennenstuhl kann die Kritik nicht nachvollziehen. „Wir wollten kein Fachwerkhaus mit Wildschweinkopf. Offenbar wird uns das übel genommen.“ Auch sein Architekt Eberhard Hummel schüttelt den Kopf. Oft seien es die nächsten Nachbarn, die gegen Bauten wettern, die nicht aus dem Katalog stammen. Solche Häuser lassen manchen Bungalow tatsächlich etwas blass aussehen.
Es sei das gute Recht jedes Bauherrn, zu bauen, was ihm gefällt, meint Hummel. Er ist in der Region ein bekannter Name, baut Wohnhäuser und war an verschiedenen öffentlichen Bauten und privaten Großprojekten beteiligt. Eine ähnliche Villa wie für Familie Brennenstuhl hat er schon mal in Fichtenwalde bauen dürfen. „Man hat nicht oft die Chance, zu planen, was dem eigenen architektonischen Gefühl voll entspricht.“
Hummel hat auch saniert, die „Villa Frank“ am Franzensberg in Geltow etwa oder das „Haus von Rochow“, das sich einen Katzensprung entfernt in der Geschwister-Scholl-Straße befindet, beides Häuser, die Ende der 1920er Jahre entstanden sind. Die Villen waren seinerzeit spektakulär – sie sind es bis heute und stehen unter Denkmalschutz. Auch wenn nicht viel über die Bauzeit überliefert wird, weiß Eberhard Hummel, dass es auch damals Streit gegeben hat.
Das „Haus von Rochow“ von Architekt Heinrich Laurenz Dietz war nicht der einzige Hingucker in Caputh und den benachbarten Havelorten, wo sich Berliner Industrielle seit dem 19. Jahrhundert häufig Sommerresidenzen bauten – gelegentlich sind daraus architektonische Ausrufezeichen in der Landidylle geworden. Seit der Wende folgten gerade am Caputher Krähenberg weitere Wagnisse, die Villa von Zadow etwa, die Bayer-Villa oder die Grüne Villa, Froschhaus genannt.
Was den Neubau Am Sonnenhang angeht, so war er im Bauausschuss der Gemeinde schon kein Thema mehr, wie es aus dem Rathaus heißt. Laut Baugesetzbuch dürfen Neubauten nicht untersagt werden, wenn sie sich „nach Art und Maß der baulichen Nutzung“ in die Umgebung einfügen. Das hat auch die Bauaufsicht nicht bestritten. Thomas Brennenstuhl ist weit über den Mindestabständen zu den Nachbarn geblieben, sein Architekt hat nicht höher gebaut als andere in der Umgebung un,d wenn man genauer hinschaut, auch nicht anders. Jeder Architekt sei auch der Öffentlichkeit verpflichtet, sagt Eberhard Hummel. „Er muss sich einer Auseinandersetzung stellen – wenn sie sachlich geführt wird.“
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