Von Henry Klix: Kein Obstpanoramaweg, nirgends
Mit dem Fahrrad auf der Glindower Platte: Reflexionen einer Spurensuche
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Werder (Havel) - Pfingstmontag, Sonnenschein, das Fahrrad fährt von selbst. Unterwegs an der Potsdamer Havel, ein Abstecher zum Obstpanoramaweg. Viel gelesen, nie gesehen. Also zum Ausgangspunkt, nach Petzow. Oder Glindow? Eine Erinnerung an die Karte: Es gibt kein genaues Material bis jetzt. Aber obwohl oft von Petzow die Rede ist, sieht der Startpunkt nach Glindow aus. Alpenstraße auf die L 90, dann Richtung Ziemensstraße. Berg rauf, kein Schild, nichts. Wissen Sie, wo der Obstpanoramaweg ist? Nee, wir wohnen hier erst seit einem Jahr. 150 Meter weiter, das Haus sieht etwas älter aus. Wissen sie es vielleicht? „Nie jehört. Kann sein, dass bei Werder-Frucht wat abbiecht.“ Ziemensstraße bis ans Ende, dann rechts, sagen die Eingeborenen.
Skepsis, Schweiß, aber wir leben ja im Informationszeitalter. Beziehungen haben auch noch nicht geschadet. Aus der stets erreichbaren Spitze der Stadtverwaltung erfährt man per Handy den sichersten Weg. Schild ist nicht – B1, Havelobstallee abbiegen, dann die Fahrradstraße geradeaus. Das Windrad auf der Glindower Platte als Orientierung. Danke, aber man ist zur Zeit noch ganz woanders, Windrad am Horizont, 27 Grad.
Muss doch einfacher gehen, ohne Bundesstraße. Und irgendwo muss man ihn doch kreuzen, den Obstpanoramaweg. Also durch die Obstflur Richtung Plötzin, dann rechts, vorbei am vierten Schlag von Barth-Remus, alte Panzerstrecke, ein verrostender Trecker, Thierschmanns Scheune, Deutschers Erdbeeracker, kein Obstpanoramaweg, nirgends. Die Wasserflasche leer. Mist. Rückzug, alle Wege führen zur B 1, zurück, den kürzesten Weg. Neu Plötzin im Rücken, Lindickes Plastik-Apfel, treten treten, treten. Abzweig „Havelobstallee“, absteigen, schwitzen, grübeln. Also gut. Fahren wir nochmal laut Empfehlung.
Berg rauf, geradezu ein Verkehrszeichen, nur für Radfahrer. Das wird er dann wohl sein, der Obstpanoramaweg, oder? Am Windrad vorbei, junge und alte Kirschplantagen, Streuobstwiese, unaufgeräumte Wegesränder, kaputte Obstkisten, Pusteblumen aus der Puste. Die Piste neu und glatt, das T-Shirt nass. Einsame Agrar-Idylle. Ein älteres Pärchen auf dem Rad, erschrocken, wer sich noch hierher verirrt hat. Das war ja auch nicht einfach zu finden.
Vor der Lehniner Chaussee – auf dem Asphalt steht mit Kreide eine Offenbarung, Obstwein, Currywurst, Kaffee, Kuchen. Ein Privatgarten, Leute mit Hündchen hinterm Zaun. „Dit steht noch vonne Baumblüte da, aber kommse nur.“ Gläschen Apfelschorle für 1,80 Euro. Puh. Das ist nicht mehr ausbaufähig.
Baumblüte vorbei, Pause auch, Lehniner Chaussee kreuzen. Ist ja wohl noch der Obstpanoramweg, oder? Sicher kann man nicht sein, Hinweise gibt es keine, aber das muss er sein. Der schöne Asphalt, an dem seit vier Jahren gebaut wird, endet Richtung Derwitz auf dem Acker. Wer informiert ist, weiß es. Märkische Hügel, Weizen, Obstflur, in der Ferne Pappeln. Sonne, Stille, Erschöpfung.
Ein schattiges Plätzchen fehlt hier noch, ein Aussichtsturm, eine Kapelle oder so was. Irgendein Dankeschön, dass man angekommen ist. Hier soll der Weg mal weitergehen. Irgendwann. Kann man gucken. Auch eine schöne Skaterstrecke. Wirklich! Einschränkung: Man muss wissen, wo er ist, zwischen Petzow und Derwitz, Werders neue Touristenattraktion, mit der in Broschüren, auf Reisemessen und der Grünen Woche geworben wird – der Obstpanoramaweg. So lange geworben und noch nicht fertig. Ob er es tatsächlich war, am Pfingstmontag? Wer weiß.
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