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Potsdam-Mittelmark: Kein Platz für Gewalt

Mehr als 400 Besucher feierten beim Michendorfer „Rock gegen den Strom“-Festival

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Michendorf - Als im Januar 2006 eine Gruppe rechter Jugendlicher eine Geburtstagsparty im Michendorfer Gemeindezentrum „Zum Apfelbaum“ überfiel und ein Jugendlicher schwer verletzt wurde, war das Fass übergelaufen. Schon davor hatten sich die Ereignisse gehäuft, sodass man nicht mehr länger hinnehmen wollte, dass auch in der mittelmärkischen Großgemeinde ein offensichtliches Problem mit rechter Gewalt bestand. Unter Leitung der Michendorfer Grünen wurde nun zusammengetrommelt, um Konzepte und Strategien für Toleranz und gegen Gewalt in der Gemeinde zu entwickeln.

Das nun im vierten Jahr stattgefundene „Rock gegen den Strom“ ist eines der deutlichsten Statements für den Erfolg: Die Initiative „Wir kümmern uns selbst“ (Wikus), die sich damals gründete, um bürgerliches Engagement in der Gemeinde zu bündeln, kann mit einem gewissen Stolz zurückblicken. „Rechte Gewalt ist heute, gut sechs Jahre später, nicht mehr so das große Thema bei uns“, sagte Wikus-Sprecherin Ulrike Wunderlich erleichtert. Besonders stolz sei man darauf, dass das Zusammenspiel mit der Gemeinde und ihrer Institutionen so hervorragend klappt: „Wir treffen uns ja regelmäßig zum Austausch mit anderen Netzwerken, aber ein so reibungsloses Zusammenwirken mit der Verwaltung scheint es wirklich nur bei uns zu geben“, betonte Wunderlich am Rande des Rock-Festivals.

Und guter Rock wurde auf dem Sportplatz der SG Michendorf durchaus geboten, wobei eines der schönsten Beispiele das Heimspiel der Michendorfer Kapelle „Jacke wie Hose“ war, die im Haus St. Norbert der Behindertenhilfe Michendorf beheimatet ist. Während andere noch über Inklusion reden, wird sie hier einfach vorgelebt. Die Band hat es einfach mal überhaupt nicht nötig, sich hinter einem vorgeschobenen Mitleidsbonus verstecken zu müssen. Was da von der Bühne kam, war irgendwie cool, irgendwie abgefahren und erinnerte frappierend an das, was in den 80er Jahren zur Neuen Deutschen Welle abgelaufen war. Schnörkelloser Dada-Punkrock mit Spaßfaktor und Kultpotenzial, das trifft es wahrscheinlich am besten.

Anwesend war auch das Michendorfer Jugendparlament, das sich mit einem Stand und einer Informationskampagne für das Wahlrecht ab 16 einsetzte. Da wurden Broschüren in die Hand gedrückt und zur politischen Mitbestimmung animiert, was ja exakt dem Festivalmotto entsprach. Und obwohl das Festival noch nicht in der Größenordnung eines „Rock in Caputh“ einzuordnen ist, konnte man am Abend gut 400 Besucher inklusive Zaungäste zählen, die sich hervorragend unterhalten fühlten – zum Beispiel von Bobacat, die sich laut eigenen Angaben seit 1969 unermüdlich für den Rock'n'Roll einsetzen, von Operation Zeit, die beeindruckend die Musikstile Jazz und Hip-Hop zu kombinieren verstanden, den Stoner-Rockern Liquid Silk, die wie Black Sabbath zu ihren besten Zeiten klangen, und natürlich von den Michendorfer Lokalmatadoren und Mitorganisatoren .approx – die Band mit dem Punkt.

Bei so viel Spaß, Rock und Engagement bleibt natürlich kein Platz mehr für Gewalt und Intoleranz, was ganz besonders die Veranstalter freut. Man sei sich zwar bewusst, dass das nur im Zusammenspiel vieler Partner möglich war, aber ein Stück weit habe man schon dazu beigetragen. „Man kann sich eben nicht wohlfühlen, wenn man unter ständiger Beobachtung ist“, meint Ulrike Wunderlich dazu. Und um das Wohlfühlen geht es doch dabei. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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