KulTOUR: „Kein schöner Land“ und „Die Internationale“
Eine Ausstellung zeigt 100 Jahre Caputher Männerchor – die NS-Zeit wird dabei aber ausgespart
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Es ward „beraten und beschlossen“, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung zum Hundertsten des Männerchores Caputh keine großen Reden zu reden. Dafür sang der Jubilar – zwar älter geworden, aber doch schön geblieben, wie Dirigent Joachim Schabik im proppevollen Hof des Heimatmuseums witzelte – unter dem alten Walnussbaum ein paar Heimatweisen. „Kein schöner Land“, „Heut ist ein wunderschöner Tag“ oder „Im schönsten Wiesengrunde“ – Lieder, die merkwürdigerweise allesamt von Abschied, Liebe und Tod handeln.
Sie wurden mit ergreifender Innigkeit zu mehreren Stimmen vorgetragen. Ein Grußwort des erkrankten Chorchefs Reimar Riebicke, ein Wort von der Gemeinde, ein kurzer Bericht von Gisela Karus vom Caputher Heimatverein über den Neustart des Chores gleich nach Kriegsende: Als sich dreie wiedergefunden hatten, wurde die Chorarbeit fortgesetzt, der erste öffentliche Auftritt fand 1947 auf einem Heuwagen statt, Repertoire unter anderem „Die Internationale“. Das waren ja Sachen!
Wurde auch schön und dann noch gemeinsam mit dem Publikum gesungen, so bildete die vom Heimatverein angeregte und vom Verein „unter Mühen“ zusammengestellte Ausstellung „100 Jahre Männerchor ,Eintracht“ Caputh“ im hinteren Haus doch den Anlass. Sie überraschte nicht so sehr durch die zahlreichen Urkunden, Fotos, Sachstücke und Dokumente als vielmehr durch das, was ihr fehlte. Zu sehen sind eine lederne Sammelbüchse von 1907, Auszüge aus den Protokollbüchern von 1907 bis 1933 und 1984 bis 1999, wobei man erfährt, dass die Auflage 1951 bis 1984 wegen „verantwortungsloser Veruntreuung durch ein aktives Vereinsmitglied“ verlustig ging; dem Orts-Chronisten Fritz Kettmann sei es zu danken, wenn Teile durch Abschrift gerettet wurden.
Zwischen 1933 und 1945 scheint es keine solchen Schriftstücke gegeben zu haben, zu sehen war davon nichts. Auch sonst scheint der Chor es eher mit Anonymität zu halten. An der Wand hängt ein getriebener Kupferteller von 1973, „für den Dirigenten“ steht darauf, während die Namen der Sänger sehr dezent eingraviert sind.
Gleich daneben ein Bild in Pastell, ein Häuschen im Walde zeigend: Es wurde dem Chor zum Hundertsten geschenkt, doch von wem? Rätsel über Rätsel zum Innenleben der „Eintracht“.
Geordnet ist diese Exposition nach den Schwerpunkten „Der Männerchor und seine Lieder“, nach seinen Freunden und Festen. Letztere zeichnet die „Sangesbrüder“, so die richtige Anrede, als sehr gesellig aus, wovon auch zahlreiche Fotos zeugen. Allerdings reichen sie nicht weiter als in die fünfziger Jahre, das meiste stammt aus den Jahrzehnten danach. Vielleicht war das mit den Mühen gemeint.
Ansonsten liegt Melzers neue Prachtausgabe von Heines „Buch der Lieder“ auf einem Tisch, man sieht Bierhumpen, Ehrungen und Auszeichnungen, wie sie Betriebe einst an die „Volkskunst“ vergaben, das Stammtisch-Fähnchen der „Einheit“, Jubiläumsplaketten kann man zum Preis von 15 Euro erstehen. Viele Anlässe, wenig Alltag. Manch anderes noch erwartet den fremden und nahen Besucher, gut, dass es diese Ausstellung gibt.
Das vom Verein spendierte Buffet zur Vernissage, die noblen Chorvorträge, das gemeinsame Singen von „Horch, was kommt von draußen rein“ schufen nicht nur gute Stimmung, sondern zeigte auch, wie eng „Caputh“ mit seinem Hundertjährigen verbunden ist. Tradition wird das rechtens genannt. Jemand brachte es auf den Punkt: „Ganz Caputh singt!“ – na dann, weiter so!
Gerold Paul
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