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Potsdam-Mittelmark: Keine Alternativen zum Abschuss

Wildschweine verbreiten Angst in Stahnsdorf

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Stahnsdorf - Stahnsdorfs Bürger sind besorgt: Immer mehr Wildschweine ziehen durch ihren Ort, und auf der Suche nach Nahrung kennen sie keine Scheu mehr. In großen Rotten drängen sich die bis zu 140 Kilo schweren Schwarzkittel durch vermeintlich sichere Zäune, durchwühlen Beete und sorgen für Angst und Schrecken. Jäger und Polizei scheinen ohnmächtig: Bislang ist noch kein Schuss auf ein Schwein in der Ortslage gefallen. Zu lang dauere es, bis die Behörden dem zustimmen und oft sei der Einsatz der Waffe in eng bebauten Siedlungen zu gefährlich, erklärte Stahnsdorfs Jagdpächter Hans Diwiszek am Freitagabend. Auf einer von der Stahnsdorfer SPD einberufenen Wildschwein-Sondersitzung im Rathaus forderte er dennoch vom anwesenden Ordnungsamt und vom stellvertretenden Landrat Christian Stein (CDU), das Genehmigungsverfahren für einen Schuss im Ort zu beschleunigen.

„Wenn es drei Wochen dauert, bis wir in den Gärten schießen dürfen, sind die Schweine über alle Berge“, sagte Diwiszek. Bereits im März hatte der 82-jährige Jäger vor einer Wildschweinplage gewarnt (PNN berichteten). Hatte Diwiszek mit seinen Mitarbeitern im Jahr 2000 noch vier Sauen in der Region geschossen, waren es in der vergangenen Jagdsaison bereits 106 Schweine, 40 davon in Stahnsdorf. „Überall, wo wir es waffenrechtlich vertreten können, werden wir schießen“, sagte er. Allerdings: Sicherheit gehe vor, erklärte er dem Publikum.

Die rund 60 Personen im Saal hatten zuvor von ihren Wildschwein-Begegnungen berichtet: Eine schwangere Frau erzählte, wie sie vor ein paar Tagen einer Bache mit Frischlingen im Wald begegnete: „Die hat nicht gewartet, die ist sofort auf mich los. Ich musste auf einen Baum flüchten.“ Ein anderer Stahnsdorfer traute sich nicht mehr auf sein Grundstück, weil Wildschweine das Tor versperrten. Bei vielen anderen waren die Tiere bereits hinter dem Zaun. „Die greifen meine Blumen gezielt an“, berichtete ein Anwohner. Das Ordnungsamt müsse das Futterverbot kontrollieren und einen Jäger in den Dienst der Gemeinde stellen, so die Forderung. Auch SPD-Fraktionschef Dietmar Otto beklagte: „Ich fühle mich verängstigt.“ Seine Kinder hätten auf dem Schulweg bereits Wildschweine gesehen. Der Rat des Rathauses, Kinder bei Dämmerung im Haus zu lassen, sei nicht das, was die Menschen erwarteten, mahnte Otto.

Einen gemeindeeigenen Jäger wird es in Stahnsdorf aber nicht geben, erklärte Vize-Landrat Stein. Die Gemeinde könne kein Jagdrecht beantragen, das liege beim Jagdpächter und der jage bereits. Vielmehr müssten die Stahnsdorfer sich ihrer Eigenverantwortung bewusst werden, lautete auch der Rat von Jäger Diwiszek: „Die Gartentore stehen offen, der Zaun ist löchrig und der frische Rasen lockt die Tiere an. Wir haben alle am Wildschweinproblem schuld“, sagte er. Mindestens 1,5 Meter müsse ein Gartenzaun hoch sein, dazu rund 40 Zentimeter tief im Boden versenkt, das Geflecht möglichst klein. „Ist erst die Nase des Schweins durch, dann schiebt es auch den Rest hinterher.“ Selbst Elektrozäune versprächen Erfolg. Künftig wolle man mehr Aufklärungsarbeit leisten. Zudem müsse das Ordnungsamt löchrige Zäune und offene Komposte verstärkt kontrollieren, so Diwiszek. Alternativen zum Schuss sieht der Jäger nicht: Betäuben oder vergiften sei verboten, Fangkäfige würden von Tierschützern in Kleinmachnow bereits sabotiert werden. Deshalb rät Diwiszek von Fallen ab. Trifft Mensch auf Tier, dann empfiehlt der Experte Ruhe. „Das Schwein hat ähnlich viel Angst wie sie.“ Tobias Reichelt

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