zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Keine Lust auf Altersheim

Reetzer Rentner sucht Mitstreiter für Wohngemeinschaft mit ökologischem Landbau

Stand:

Reetz - Aus der Küche strömt der Geruch von frisch gemahlenen Kaffeebohnen. Ofenwarmer Pflaumenkuchen duftet auf einem Tisch mit weißer Spitzendecke, der im Schatten der backsteinernen Stallmauer steht. Dieter Wankmüller hat sich im Reetzer Dorfkern ein kleines Idyll geschaffen. Der Ex-Berliner im Ruhestand hat ein Abenteuer gewagt, vor dem die meisten seiner Altersgenossen zurückschrecken: Er kaufte einen Bauernhof aus dem Jahre 1905 samt drei Hektar Land und sucht nun Mitstreiter für eine Rentner-Wohngemeinschaft mit ökologischem Landbau.

„Ich möchte nicht in der Stadt alt werden, sondern im Einklang mit der Natur“, begründet der 64-Jährige seine Entscheidung, Berlin nach 40 Jahren zu verlassen. Ein „sanftes Einschlummern unterm Birnenbaum“ könne er sich eher vorstellen als einen Tod im Altenheim. Eine Ansicht, die die wenigsten Senioren teilen. „99 Prozent der Alten sterben zu Hause oder in Pflegeheimen – nur ein geringer Rest sucht nach Alternativen fürs Altern“, zitiert Wankmüller aus einem Vortrag zum Thema, den er kürzlich besuchte. Die allerwenigsten Senioren ziehe es bei ihrer Suche aufs Land – die meisten bevorzugten die Stadt aufgrund ihrer Infrastruktur mit Ärzten und Kultur. „Ich bin einer von den Extremen“, sagt er.

Sein Vierseithof bietet viel Platz für Gleichgesinnte. Maximal zwölf Personen könnten sich im Haupthaus sowie dem ehemaligen Kuhstall und der Scheune einrichten – Sanierung und Umbau vorausgesetzt. Ein ehemaliges Kutscherhaus soll später zwei Gästewohnungen beherbergen. Dieter Wankmüller stellt sich eine Genossenschaft für die Immobilie vor – gemäß dem Betreibermodell der Berliner Tageszeitung „taz“, die bei ihm auf dem Küchentisch liegt. Die Mitbewohner müssen einen Beitrag in die Gemeinschaftskasse zahlen, aus der neue Vorhaben finanziert werden.

Der Hof ist eine Riesenherausforderung für Wankmüller. Das vergangene Jahr verbrachte er damit, die Dächer auszubessern, eine Heizungsanlage einzubauen und einen Experimentiergarten anzulegen, der ihn seit April mit Kräutern und Gemüse versorgt. Auch pflanzte Wankmüller zusätzlich zum vorhandenen Obstgarten etliche neue Obstbäume. Das bringt ihn seinem Ziel näher, sich mit Obst und Gemüse selbst versorgen zu können. Die meisten Bauarbeiten hat der studierte Elektrotechniker selbst ausgeführt. Nur selten holt er sich Hilfe.

„Ich fühl mich im Vollbesitz meiner Kräfte“, betont der aktive Marathon-Läufer. Alle drei Tage hält er sich mit ausgedehntem Joggen in der Umgebung fit. In den Fläming verschlug es ihn durch eine Tour mit seiner Wandergruppe. Eigentlich wollte er in die Uckermark ziehen. In den vergangenen Jahren informierte sich Wankmüller ausführlich über ähnliche Lebensprojekte in Brandenburg – bis hin zum Probewohnen. Zum Einzug in eine andere Gemeinschaft ist es jedoch nie gekommen. „Ich habe ganz konkrete Vorstellungen für die Zukunft und es ist nicht einfach, Menschen zu finden, die da mitziehen wollen“, sagt er.

Ideal wäre eine Solidargemeinschaft von alten und jungen Leuten, sagt Wankmüller. Doch da es in der Region um Reetz kaum Arbeitsplätze gebe, wäre die Rente die einzige ökonomische Basis, auf der Mitbewohner bei ihm einziehen könnten. Für die kommenden Wochen haben sich einige Neugierige angesagt. Eine Schulfreundin aus Schwaben habe sich bei Arbeitseinsätzen bereits in den Hof verliebt. Über die Fördergemeinschaft für ökologischen Landbau Berlin-Brandenburg habe ihn außerdem ein Ehepaar aus Berlin angeschrieben. ddp

Beatrice George

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })