
© Tobias Reichelt
Potsdam-Mittelmark: Keine trockenen Stullen mehr
Nach der Brechdurchfallwelle hatten viele Stahnsdorfer Schüler das Essen abbestellt. Jetzt ist der alte Essenslieferant wieder da
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Stahnsdorf - Lea haut rein. Gelber Kartoffelbrei, dampfende Tomatensauce und knusprig gebratenes Fischfilet wandern vom Teller der Viertklässlerin in ihren Magen. Lea schmeckt’s. „Sogar die Kartoffeln“, ruft die Neunjährige mit vollem Mund über den Tisch im Speisesaal der Stahnsdorfer Zille-Schule. Noch im vergangenen Schuljahr musste sie ihr Mittag hier aus der Brotdose essen. Schon beim Gedanken an trockene Stullen rümpft Lea die Nase. Zum Glück ist das vorbei.
Den Stahnsdorfer Grundschülern schmeckt es wieder. Seit der wegen verseuchter Tiefkühlerdbeeren in die Schlagzeilen geratene französische Großlieferant Sodexo zu Schuljahresbeginn das Feld geräumt hat, ist die Zahl der Bestellungen deutlich gestiegen. An der Lindenhof-Grundschule werden nun nahezu alle Kinder mit frischem Essen versorgt. In der Zille-Grundschule, in der nach der Brechdurchfallwelle im vergangenen Herbst knapp die Hälfte der Kinder ihr Essen bei Sodexo abbestellt hatten, gehen wieder 400 von 470 Schüler essen. Versorgt werden sie wieder vom „Märkischen Food Service“ aus Stahnsdorf, der im Gewerbepark Greenpark kocht.
An so eine Entwicklung hatte Jürgen Stoof, kommissarischer Leiter der Zille-Schule, nach der Magen-Darm-Attacke vor einem Jahr fast nicht mehr geglaubt. „Im Minutentakt mussten wir damals die Kinder nach Hause schicken oder abholen lassen“, erinnert sich der 62-Jährige. „Danach sind bei uns massenweise Essen abgemeldet worden.“ Die Verunsicherung war groß. Wochenlang dauerte es, bis klar war, dass die Erkrankung durch die Tiefkühlerdbeeren ausgelöst worden war. Die hatte Sodexo aus China geliefert bekommen, verarbeitet und an zahlreiche Schulen ausgegeben. Insgesamt waren fast 11 000 Kinder in Ostdeutschland betroffen. Die Staatsanwaltschaft hat Sodexo von jeder Schuld freigesprochen.
Weil in Stahnsdorf aber immer mehr Eltern abbestellten, zog sich Sodexo nach einem Jahr in einer einmaligen Aktion zurück. Als einzige Gemeinde im Umkreis von Berlin war es Stahnsdorf gelungen, sich mit dem Lieferanten auf ein vorzeitiges Ende des Vertrages zu einigen.
Doch das hätte bei Weitem nicht nur an den Erdbeeren gelegen, sagt Ines Bartsch. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Roswitha Falkenberg schmeißt sie seit über 20 Jahren die Essensausgabe in der Zille-Schule. Nur 200 Kinder hätten damals das Sodexo-Essen haben wollen. „Die Kinder haben kaum Fleisch gesehen und das Gemüse schwamm im Mehlpamps.“ Satt wurden die Kinder nicht. Inzwischen sei das anders: Es gibt Nachschlag und zum Nachtisch oft frisches Obst. Heute sind es Pflaumen.
Gekocht wird aber auch unter dem neuen Lieferanten nicht in der Schule selbst, sagt Harald Mushack. Schon im Jahr 1991 gründete er den „Food Service“, der heute neben den Stahnsdorfer Grundschülern auch die aus dem Nachbarort Teltow und zahlreiche Kindergartenkinder der Region versorgt.
Vier Küchenangestellte brutzeln, braten und kochen im Greenpark jeden Schultag rund 2200 Mahlzeiten. Bislang können sich jedoch nur die Stahnsdorfer Kinder über einen besonderen Lieferservice freuen: Für sie wird das Essen gleich zweimal frisch geliefert wird: Um 11 und um 13 Uhr. So hatte es das Rathaus gewollt. Auch den Preis konnte Mushack halten: 1,79 Euro für das günstigste Schulessen. Das gehe, weil die Essensausgabe von der Gemeinde gezahlt wird und deshalb nur 7 statt 19 Prozent Mehrwertsteuer anfallen, erklärt Mushack.
In den Nachbarkommunen kann der Stahnsdorfer Unternehmer solch einen Service zu dem Preis bislang nicht bieten. Dafür sei die Küche zu klein, eine Investition kaum zu stemmen. Zwar hat sich Mushack mit seiner regionalen Küche auch für die aktuelle Neuausschreibung des Schulessens in Kleinmachnow beworben, dort könne er aber nicht durchweg frisches Essen liefern. Im Gegenzug zu Stahnsdorf müsste er in Kleinmachnow tiefgefrorene Produkte einsetzen, die in der Schule erwärmt werden.
Das gefällt nicht allen Eltern, weiß Mushack. Ohnehin ist er skeptisch, was die Vorstellungen nach mehr regionalen Produkten im Essen angeht. Die nötige Menge an Zutaten könne kaum ein regionaler Landwirt anbieten. Mit dem Teltower Rübchenbauer Axel Szilleweit denkt Mushack aber über eine Kooperation nach. Der Landwirt könnte künftig Kohl, Tomaten und Rübchen liefern. Den Rest müsste der Küchenunternehmer aber ähnlich wie die Konkurrenz aus dem Ausland bestellen. „Und dann werden die Erdbeeren wohl wieder aus China kommen“, sagt Mushack. Zumindest werden die aber inzwischen schon bei ihrer Ankunft im Hafen in Hamburg kontrolliert.
Lea und ihre Freundinnen Kira, Helene und Kim können nur hoffen, dass die Kontrolleure dort einen guten Job erledigen. So lange lassen sie es sich schmecken: Kartoffeln, Fisch und Fleisch. „Noch vor einem Jahr gab’s hier immer nur Nudeln“, sagt Lea. „Jetzt ist alles viel, viel besser.“
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