Aus dem GERICHTSSAAL: Kistenweise Briefe
Bewährungsstrafe für persönlichkeitsgestörten Stalker
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Kleinmachnow – Zwei randvolle Kisten mit Briefen stehen unter dem Richtertisch. Es gibt noch weit mehr Schreiben, die Frank F.* (44) seiner ehemaligen Betreuerin seit 2007 schickte. Der hochgradig Hörgeschädigte belästigte die Rechtsanwältin Tag und Nacht mit Telefonanrufen, lauerte ihr auf dem Kleinmachnower Grundstück auf, näherte sich ihren Kindern, schoss Fotos vom Haus und dem Auto der Juristin. Frank F. wollte erreichen, dass die Frau seine Betreuung in rechtlichen Fragen wieder aufnahm. Die Kleinmachnowerin litt durch das hartnäckige Nachstellen an Schlafstörungen und Depressionen, beantragte eine geheime Telefon-Nummer.
Jetzt wurde Frank F. vom Gericht wegen Stalking, Beleidigung und versuchter Nötigung – begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit – zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hat jeglichen Kontakt zu der Anwältin sowie ihrer Familie zu unterlassen und muss sich um die Aufnahme einer ambulanten Psychotherapie bemühen.
Frank F. leide an einer Persönlichkeitsstörung von klinischem Ausmaß, führte der zur Verhandlung geladene psychiatrische Gutachter Klaus Simon aus. „Er lebt sehr isoliert, hatte noch nie eine Freundin. Die Mutter ist der Dreh- und Angelpunkt seines Lebens. Seine Beziehung zu ihr ist auf der kindlichen Ebene stehengeblieben.“ Frank F. fühle sich als Behinderter von der Gesellschaft ausgegrenzt. Er neige zu Wahnvorstellungen und sei nur eingeschränkt in der Lage, in schwierigen Situationen adäquat zu reagieren. „Seine Fähigkeit, eigene Schwächen zu erkennen, ist minimal. Schuld sind immer die Anderen“, so der Sachverständige. Der Angeklagte habe sich „auf bestimmte Art“ von der Juristin angezogen gefühlt. „Allerdings versteht er nicht, dass Beziehungen etwas Wechselseitiges sind.“ Als die Frau die Betreuung niederlegte, habe Frank F. dies als Kränkung aufgefasst. „Er wollte Rache an der Frau üben, durch intime Kenntnisse seine Macht ausleben.“ Jedoch gehe von ihm keine konkrete Gefahr aus. Auch die Briefe würden keine Gewaltbereitschaft signalisieren.
„Ich habe mich gewundert, dass meine Betreuerin gar nicht mehr kommt. Da habe ich ihr geschrieben“, erzählte Frank F.. „Dann konnte ich nicht mehr damit aufhören. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr das unangenehm ist. Mein neuer Betreuer erhält auch Post von mir.“ Das Stalking-Opfer trat im Prozess als Nebenklägerin auf. Ihr Rechtsbeistand konfrontierte den Gutachter mit dem jüngsten Brief des Angeklagten vom März dieses Jahres, der eindeutig sexuelle Phantasien widerspiegelt. „Den kannte ich noch nicht“, erklärte der Psychiater. „Das ist schon eine gewisse Eskalation.“
Um den Angeklagten zu einer sinnvolleren und konfliktärmeren Lebensweise zu erziehen, bedürfe es einer auf längere Zeit ausgerichteten ambulanten Therapie. „Ein Crash-Kurs in einer Klinik bringt da gar nichts“, so der Experte. „Vielleicht bewirkt ja auch schon die Verhandlung etwas.“ (*Name geändert.) Hoga
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